Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur
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Wie bei unseren heidnischen Vorvätern, den alten Germanen, wird Sodomie vielleicht in<br />
nächster Zukunft von der strafenden Tätigkeit der Autoritäten befreit werden« 8 (Almquist<br />
1926:42f).<br />
Jonas Lillequist befasst sich wie Jan Eric Almquist, wenn auch aus einer etwas<br />
anderen Perspektive, mit der strafrechtlichen Verfolgung von Bestialität im frühneuzeitlichen<br />
Schweden (Lillequist 1992). Auf <strong>die</strong> breite Quellenbasis von zirka<br />
1500 Prozessen aus dem späten 17. bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert gestützt,<br />
sieht er in der kulturellen und symbolischen Bedeutung von Bestialität ein wichtiges<br />
Erklärungsmoment für <strong>die</strong> intensive gerichtliche Verfolgung in Schweden.<br />
Bestialität bedeutet nach Lillequist eine dreifache Überschreitung von Grenzen.<br />
Erstens sei Bestialität eine »<strong>wider</strong>natürliche« Vermischung von Mensch und Tier<br />
und damit eine Transgression der Gattungsgrenzen. 9 Zweitens werde <strong>die</strong> Grenze<br />
zwischen den Geschlechterräumen überschritten, wie Lillequist am Beispiel des<br />
Kuhstalls zeigt, der im frühneuzeitlichen Schweden als Arbeitsbereich von Frauen<br />
galt. Drittens maße sich ein Erwachsener damit quasi »jugendliches« Verhalten an,<br />
denn sexuelle Experimente von Jugendlichen mit Tieren wurden kaum geahndet,<br />
sexuelle Handlungen zwischen Männern und Tieren aber streng verfolgt (Lillequist<br />
1992:85).<br />
Erich Wettstein hat in seiner 1958 publizierten Dissertation <strong>die</strong> Geschichte der<br />
Todesstrafe im Kanton Zürich verfolgt. Er berichtet von einer bemerkenswert<br />
hohen Zahl von Hinrichtungen wegen »<strong>wider</strong>natürlicher Unzucht« in der Landvogtei<br />
Kyburg: zwischen 1641 und 1791 seien dort 78 der insgesamt 127 Todesurteile<br />
wegen Bestialität oder gleichgeschlechtlichen Praktiken vollstreckt worden.<br />
Ende des 17. Jahrhunderts habe es eine regelrechte Hinrichtungswelle gegeben –<br />
zwischen 1694 und 1698 erfolgten 22 der 24 Exekutionen wegen Sodomie.<br />
Wettstein vermutet in den zahlreichen Sodomieverurteilungen Willkürakte des<br />
damaligen Landvogts (Wettstein 1958:80-83).<br />
William Monter beschäftigt sich in seinem 1974 publizierten und 1980/81 ins<br />
Englische übersetzten Aufsatz mit Sodomie und Häresie in der frühneuzeitlichen<br />
Schweiz (Monter 1974:1023-1033; englisch: 1980/81:41-55). Er stellt nicht nur<br />
einen kausalen Zusammenhang zwischen religiöser und sexueller Devianz fest,<br />
sondern macht mit seinem Vergleich zwischen Sodomieprozessen in der Stadt<br />
Genf und im Kanton Fribourg während des 16. und 17. Jahrhunderts vor allem<br />
auch den Unterschied zwischen Stadt und Land augenscheinlich. Während in Genf<br />
hauptsächlich Italiener wegen gleichgeschlechtlicher sexueller Praktiken vor<br />
Gericht standen, waren es im Kanton Fribourg fast ausschließlich einheimische<br />
Männer, <strong>die</strong> sich wegen Bestialität verantworten mussten.<br />
Ebenfalls auf <strong>die</strong> Schweiz, konkreter auf <strong>die</strong> Stadt St. Gallen, bezieht sich der auf<br />
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