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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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4. SODOMIE IN STRAFRECHTLICHER THEORIE<br />

UND GERICHTLICHER PRAXIS<br />

Die bisher vorliegenden Stu<strong>die</strong>n zur Kriminalisierung und strafrechtlichen<br />

Verfolgung sexueller Devianz zeigten, dass Sodomie zwar in der Regel nicht häufig,<br />

doch mit großer Strenge verfolgt wurde. Sodomitische Praktiken galten als<br />

Auflehnung gegen Gottes Willen. Nach Darlegung der Kirchenlehrer gab es für ein<br />

gottesfürchtiges Leben nur zwei (ungleichwertige) Möglichkeiten. Die höher eingeschätzte<br />

Wahl der ewigen Keuschheit wurde seit den Gregorianischen Reformen<br />

im 11. Jahrhundert verstärkt als Pflicht für den Klerus definiert. Die andere, für <strong>die</strong><br />

Mehrheit der Menschen bestimmte und damit von klerikaler Seite als weniger elitär<br />

betrachtete Option bestand darin, sexuelle Lust in gemäßigter und reproduktiver<br />

Weise in der Ehe zu kanalisieren. Wer sich weder der Keuschheit verschrieb,<br />

noch dem göttlichen Prokreationsauftrag in der Ehe Folge leisten wollte, lief,<br />

sofern <strong>die</strong> »<strong>wider</strong>natürlichen« Praktiken oder Beziehungen ruchbar wurden, seit<br />

dem Spätmittelalter Gefahr, vor ein weltliches Gericht zitiert zu werden. Im<br />

Gegensatz zu kirchlichen Gerichten, denen jedes Blutvergießen untersagt war,<br />

konnten weltliche Gerichte Körper- und Todesstrafen verhängen, und sie taten <strong>die</strong>s<br />

auch.<br />

Was begründete das strenge Vorgehen der weltlichen Gerichte gegen Sodomie?<br />

Auf einer ideologischen Ebene erklären sich <strong>die</strong> meist strengen Urteile aus der<br />

engen Verwobenheit von frühneuzeitlichem Strafrecht und christlicher Religion,<br />

wobei <strong>die</strong> konfessionelle Ausrichtung nach bisherigem Wissenstand keine wesentliche<br />

Differenz ausmachte (vgl. Michelsen 2003:40). Die habsburgischen<br />

Landesfürsten legitimierten ihre Herrschaft mit dem Willen Gottes. Sie sahen sich<br />

als oberste weltliche Justizhoheit, deren Auftrag es war, im Namen Gottes zu handeln<br />

und <strong>die</strong>sen Auftrag an <strong>die</strong> untergeordneten Gerichte weiterzuleiten. Nicht<br />

zufällig setzten mehrere im Untersuchungsraum geltende Strafrechtsordnungen<br />

das Delikt der Gotteslästerung an den Beginn des materiellen Strafrechts (LGO<br />

1559: fol.22v, Ferdinandea: Art.59, Theresiana: Art.56), gefolgt von anderen<br />

gegen Gott und <strong>die</strong> weltliche Obrigkeit gerichteten Straftaten. Sodomie als willentlich<br />

lustbetonte und gegen den innerehelichen Prokreationsauftrag gerichtete sexuelle<br />

Praxis wurde im Strafrecht nicht nur als »allerabscheulichste Sünde«, sondern<br />

auch als ein crimen atrocissimum, ein allergrausamstes Verbrechen, bewertet.<br />

Juristische Kommentare und Handbücher sowie Rechtsgutachter empfahlen<br />

durchwegs harte Strafen im Falle »<strong>wider</strong>natürlicher <strong>Unkeusch</strong>heit«, um – wie etwa<br />

auch bei Gotteslästerungen – zu verhindern, dass Gottes Zorn heraufbeschworen<br />

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