Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur
Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur
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werden, betreffen Männer, viele davon zeigten sich laut Überlieferung selbst an.<br />
Der einzige Fall, in dem sich eine Frau selbst der Sodomie mit einem Hund bezichtigte,<br />
erweist sich in Lorenz’ Analyse als (missglückter) indirekter Selbstmordversuch.<br />
Erfunden hatte <strong>die</strong> Frau neben sodomitischen Praktiken auch Ehebrüche,<br />
Abtreibungen und einen Kindsmord, vermutlich um ihrem unglücklichen Leben<br />
ein Ende setzen. Ein Selbstmord hätte christlichem Denken zufolge ihr Seelenheil<br />
gefährdet (Lorenz 1999:189f).<br />
Stu<strong>die</strong>n, <strong>die</strong> sich mit Bestialität beschäftigen, sind rar. Das könnte zum einen an<br />
der Streuung von Quellen und der damit mühsameren Recherche liegen. Zum<br />
andern könnte <strong>die</strong> geringere Beschäftigung mit Bestialität, der häufigeren Form<br />
von verfolgter Sodomie in ländlichen Gebieten, auch auf mangelndes aktuelles<br />
Interesse und eine gewisse gesellschaftliche Tabuisierung zurückzuführen sein. Für<br />
<strong>die</strong> österreichische Historiographie kann <strong>die</strong>se Forschungslücke zudem damit<br />
erklärt werden, dass der Quellenreichtum von Gerichtsakten erst in den letzten<br />
Jahren von jüngeren HistorikerInnen entdeckt wurde. Auch im europäischen Vergleich<br />
finden sich nur wenige historische Arbeiten zum Thema »Bestialität«.<br />
Die Stu<strong>die</strong> von Gaston Dubois-Desaulle, <strong>die</strong> 1905 post mortem in Paris erschien,<br />
ist eine der frühesten wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit tierischmenschlicher<br />
Sexualität (Dubois-Desaulle 1905; englisch 1933). 6 Dubois-Desaulle<br />
nähert sich dem Thema aus historischer, medizinischer und juristischer Perspektive.<br />
Der Schwerpunkt liegt auf französischen Sodomieprozessen des 16., 17. und<br />
18. Jahrhunderts und dem verstärkten Interesse der Pariser Polizei an der<br />
Verfolgung von »Sodomitern« ab 1729. Die Kategorisierung der Sodomieprozesse<br />
scheint dabei sexologischen Überlegungen zu folgen. So wird etwa ein Prozess als<br />
»heterosexual bestial« bezeichnet (Dubois-Desaulle 1933:69-72). Die 1933<br />
erschienene englische Übersetzung klammert den historischen Teil leider weitgehend<br />
aus und legt den Schwerpunkt auf das Motiv der Bestialität in der französischen<br />
und europäischen Literatur. 7<br />
Der 1926 im Jahrbuch der Universität Uppsala erschienene Artikel von Jan Eric<br />
Almquist befasst sich mit der Geschichte der strafrechtlichen Verfolgung von<br />
Bestialität im schwedischen Raum vom Mittelalter bis zum beginnenden 20.<br />
Jahrhundert. Der Fokus liegt dabei auf den Veränderungen in Strafnorm und Strafpraxis<br />
während der Frühen Neuzeit. Intention des Autors ist es, eine Liberalisierung<br />
des zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Schweden gültigen Strafgesetzes zu erreichen.<br />
Er sieht Sodomie (im Sinne von Bestialität) als sexuelle Handlung an, <strong>die</strong> sich<br />
mit Masturbation vergleichen lasse und keiner strafrechtlichen Verfolgung bedürfe:<br />
»Denn Sodomie ist in Wirklichkeit nur so etwas wie Masturbation, ein Laster, welches<br />
das schwedische Recht bekanntlich nicht als Verbrechen an und für sich bezeichnet. [...]<br />
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