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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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Georg Wegleuthner mit dem Schwert hinzurichten, sein Körper danach »mit sambt<br />

dem (reverendo) Schwein« öffentlich zu verbrennen sei. Der an protestantischen<br />

Universitäten geschulte Advokat legte dem Landgerichtsherrn nahe, mit Strenge<br />

vorzugehen und den Inquisiten zu verbrennen. Allerdings sollte der Verurteilte<br />

zuvor enthauptet werden.<br />

Mit einem Schreiben vom 2. November 1612 bat der Landgerichtsverwalter<br />

Wolf Nidermaier den obderennsischen Bannrichter Wolf Schradt um <strong>die</strong> Festsetzung<br />

eines Rechtstages und <strong>die</strong> Verständigung des Freimanns »Maister<br />

Hainrich«. 116 Ein zweites Schreiben richtete er an den Linzer Schlosspfleger mit<br />

der Bitte, dem Scharfrichter Bescheid zu geben, dass <strong>die</strong>ser sich beim Bannrichter<br />

nach dem Termin des Rechtstages und der Hinrichtung in Wartenburg erkundige. 117<br />

Am 26. November wurde Georg Wegleuthner auf der Rechtsgrundlage der Carolina<br />

dazu verurteilt, »durch das Feuer vom Leben zum Tod hingericht« zu werden.<br />

118 An <strong>die</strong>sem Urteil erstaunt nicht nur, dass <strong>die</strong> Feuerstrafe verhängt, sondern<br />

auch, dass <strong>die</strong> Carolina, nicht aber <strong>die</strong> obderennsische Landgerichtsordnung von<br />

1559 als rechtliche Referenz genannt wurde. In den überlieferten Akten findet sich<br />

kein Beleg, wie das Urteil vollstreckt wurde, vertrauen wir aber Strnadts kriminalstatistischen<br />

Aufzeichnungen, so wurde Georg Wegleuthner »mit dem Schwerd<br />

hingerichtet und dessen Körper samt der r[everen]do Schwein verbrennt [...]«<br />

(Strnadt 1909:195).<br />

1622, zehn Jahre nach der Verurteilung Georg Wegleuthners, fand <strong>die</strong> Serie der<br />

Wartenburger Sodomieprozesse mit der Hinrichtung Jacob Huebmers ein vorläufiges<br />

Ende (vgl. Strnadt 1909:195).<br />

In den knappen zweieinhalb Jahrzehnten von 1598 bis 1622 waren im Landgericht<br />

Wartenburg sechs Sodomieprozesse geführt worden. Alle sechs beschuldigten<br />

Männer wurden hingerichtet. Eine Kuh und ein Schwein wurden nachweislich<br />

mitverbrannt. Dann sollte <strong>die</strong> Anschuldigung der Bestialität hundert Jahre lang, bis<br />

zum Prozess gegen Hans Schmid 1722, nicht mehr vor Gericht getragen werden. So<br />

unterschiedlich <strong>die</strong> überlieferten Quellen zu den Prozessen auch beschaffen sind, es<br />

lassen sich dennoch Gemeinsamkeiten, auch im Sinne gemeinsamer Lücken, feststellen.<br />

Die Quellen sind karg an Informationen. Wir erfahren durch <strong>die</strong> gerichtlichen<br />

Aufzeichnungen kaum etwas über <strong>die</strong> Angeklagten selbst. Wie alt waren sie?<br />

Wo lebten sie? Wovon lebten sie? Waren sie Lutheraner oder Katholiken? Erst ab<br />

der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts sollten <strong>die</strong>se personenbezogenen Angaben<br />

standardisiert als Generalia abgefragt werden. Wir wissen nicht, ob <strong>die</strong> sodomisierten<br />

Tieren vom Landgericht gesucht wurden. Gab es überhaupt ein Interesse daran,<br />

ökonomisch wertvolle Nutztiere zu töten? Wenn jemand in flagranti erwischt<br />

wurde, wie beispielsweise Georg Wegleuthner, konnte das Landgericht wohl kaum<br />

umhin, auch das betroffene Tier »sicherzustellen«. Im Falle von Wolf Haager wur-<br />

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