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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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ser unterschiedlichen Ausprägungen einforderte.<br />

Die im Vergleich zu den Codices des 16. und des frühen 17. Jahrhunderts praxisorientierteren<br />

juristischen Handbücher beeinflussten mit zeitlicher Verzögerung<br />

<strong>die</strong> Normgebung. So differenzierten <strong>die</strong> Ferdinandea und <strong>die</strong> Leopoldina zwei<br />

Stufen der Bestrafung (nämlich Enthaupten und Verbrennen für »Knabenschänder«<br />

und lebendiges Verbrennen für Menschen, <strong>die</strong> mit Tieren »zu tun« hatten).<br />

Die in Böhmen, Mähren und Schlesien gültige Josephina (1707) subsumierte<br />

auch nicht-generative heterosexuelle Praktiken unter den Sodomiebegriff. Sie<br />

unterschied zwei Stufen der Bestrafung: eine nicht genau festgelegte für gleichgeschlechtliche<br />

und nicht-generative Praktiken und <strong>die</strong> mit dem Tod durch das Feuer<br />

zu bestrafende Bestialität. Die Theresiana (1768) fügte dem Katalog sodomitischer<br />

Praktiken noch sexuelle Handlungen mit einer Leiche sowie Masturbation hinzu<br />

und differenzierte drei Stufen der Bestrafung: Sexualität mit Tieren sollte mit dem<br />

Feuer, jegliche Art von »<strong>wider</strong>natürlicher« gleichgeschlechtlicher Sexualität sollte<br />

mit Enthauptung und anschließender Verbrennung der Körper, <strong>die</strong> verbleibenden<br />

»<strong>Unkeusch</strong>heiten <strong>wider</strong> <strong>die</strong> <strong>Natur</strong>« sollten abiträr geahndet werden. Bei genauer<br />

Lektüre des Sodomie-Artikels in der Theresiana fallen Einschübe auf, <strong>die</strong> inhaltlich<br />

und stilistisch weder auf <strong>die</strong> Ferdinandea noch auf <strong>die</strong> Josephina zurückzuführen<br />

sind, vielmehr den Ausführungen in juristischen Handbüchern ähneln, wenn<br />

etwa <strong>die</strong> Verdachtsmomente aufgelistet werden oder wenn sich <strong>die</strong> Anmerkung findet,<br />

dass das sodomisierte Tier auf jeden Fall zu »vertilgen« sei.<br />

Die in den Sodomie-Artikel eingebundenen prozessrechtlichen Fragen werden<br />

ebenfalls umfangreicher. Das systematische und einheitliche Vorgehen der<br />

Gerichte gewinnt – verstärkt durch <strong>die</strong> Theresianischen Reformen – auch in der<br />

juristischen Literatur zusehends an Bedeutung. So erscheinen um <strong>die</strong> Mitte des 18.<br />

Jahrhunderts mit Franz Joseph Grenecks Theatrum jurisdictionis Austriacae<br />

(1752) und Joseph Leonard Bannizas Vollständige[r] Abhandlung von den sämmtlichen<br />

Oesterreichischen Gerichtsstellen (1767) nicht zufällig zwei vorwiegend<br />

am korrekten Strafverfahren orientierte Werke. Prozessrechtliche Fragen zur<br />

Sodomie lauten etwa, ob ein Corpus Delicti gegeben, oder ob <strong>die</strong> Immissio seminis<br />

erfolgt und damit <strong>die</strong> Tat »vollbracht« worden sei. Es sind <strong>die</strong>s Fragen, <strong>die</strong> in<br />

juristischen Handbüchern gerne an Beispielen erläutert werden, <strong>die</strong> entweder auf<br />

<strong>die</strong> eigene Berufserfahrung der Autoren oder auf <strong>die</strong>sbezügliche Ausführungen<br />

berühmter Kollegen rekurrieren.<br />

Trotz einiger Veränderungen im Bereich des materiellen und prozessualen<br />

Strafrechts bleiben zwei Grundzüge in den angeführten Sodomieartikeln erhalten:<br />

<strong>die</strong> Ungleichgewichtung zwischen den Sexualobjekten Mensch und Tier sowie <strong>die</strong><br />

Ungleichgewichtung zwischen Mann und Frau in der Konstruktion des Sodomiten.<br />

Der gerichtliche Umgang mit sodomisierten Knaben (im Sinne von männlichen<br />

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