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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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elegen seye, damit denen gemainen= und Landtsyblichen Rechten in hoc Casu kein<br />

abbruch, Sondern ein Sattsambes geniegen bescheche«.<br />

Nach seitenlangem Zitieren verschiedener Rechtsgelehrter (Damhouder, Berlichius,<br />

Carpzov, Farinacius, um nur einige zu nennen), dem biblischen Verweis<br />

auf <strong>die</strong> Sündhaftigkeit der Bestialität (Levitikus 20,15) und nach Konsultation der<br />

Carolina und der Leopoldina kommt der nicht genannte Gutachter schließlich zur<br />

Erkenntnis, dass beim Delikt der Sodomie »<strong>die</strong> blosse bekhantnus des Sich selbst<br />

angebenden Delinquentens in ordine ad dictandam Poenam mortis nicht sufficient<br />

seye«. Es gelte auch zu bedenken, dass Sodomie oder Bestialität zu jenen Verbrechen<br />

zähle, <strong>die</strong> gewöhnlich keine Spuren hinterlassen, weshalb es »nicht wohl<br />

möglich seye, auf das Corpus delicti zu komben«. So sei es schon manchmal<br />

geschehen, »d[a]s sich etwelche Persohnen aintweders ex ta[e]dio vita[e], melancholia,<br />

desperatione, oder Umb Einer andren Ursach willen selbsten gekhlagt, und<br />

sich aines Delicti Schuldig gegeben, welches Sye actu ipso zu begehen<br />

Niemahlens im Sünn gehabt« hätten. Deshalb, so <strong>die</strong> Empfehlung des Gutachters,<br />

solle Adam Prandsteter eine Stunde lang an den Pranger gestellt, vom Scharfrichter<br />

mit 30 Rutenschlägen gezüchtigt und danach des Landgerichts verwiesen werden.<br />

307 Ob das Urteil auf <strong>die</strong>se Weise vollzogen wurde, ist, wie beim vorhergehenden<br />

Beispiel, unbekannt.<br />

Die juristische Argumentation in den skizzierten Beispielen geht stilistisch in<br />

zwei verschiedene Richtungen. Während sich <strong>die</strong> Vertreter der einen Richtung eng<br />

an den Inhalt der ihnen zugesandten Akten hielten, <strong>die</strong> Aussagen der Inquisten und<br />

ZeugInnen besonders in den Blick nahmen und daraus gegebenenfalls strafmildernde<br />

Umstände formulierten, diskutierten <strong>die</strong> Vertreter der anderen Richtung mit<br />

großer Gelehrsamkeit <strong>die</strong> grundlegenden juristischen Fragen zur strafrechtlichen<br />

Beurteilung der Sodomie. Die erste Gruppe von Juristen schrieb eher allgemein<br />

von der »Criminalisten Lehr« oder von »unterschiedlichen Meinungen der<br />

Rechtsgelehrten«, nannte als Rechtsquellen allenfalls <strong>die</strong> Ferdinandea bzw.<br />

Leopoldina, eventuell auch <strong>die</strong> Carolina. Beispiele dafür sind das Gutachten von<br />

Dr. Seyringer zu Simon Schwandtner, das Gutachten von Dr. Freyenberg zu<br />

Christoph Materi sowie auch der Bericht des Landgerichtsverwalters von<br />

Schiltern. Die zweite Gruppe der Rechtsgelehrten zitierte eine Reihe bekannter<br />

Criminalisten (am häufigsten wurden Jost Damhouder, Benedict Carpzov, Prosper<br />

Farinacius und Julius Clarus genannt) und deren einander teilweise <strong>wider</strong>sprechende<br />

Auffassungen zu grundlegenden Fragen in der juristischen Beurteilung des<br />

Delikts Sodomie. In der juristischen Literatur herrschte Uneinigkeit darüber, ob<br />

das Geständnis eines Delinquenten, dass er Sodomie begangen habe, als<br />

Verurteilungsgrundlage ausreiche oder nicht; was das Corpus delicti bei <strong>die</strong>sem<br />

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