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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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der Zeugenaussage von Sophia Steinbergerin, den Altbauern »im Werk« gesehen<br />

zu haben, kein Glauben geschenkt.<br />

Verteidigungsstrategien schlossen wie gesagt auch nonverbale Mittel mit ein.<br />

Aber nur selten sind <strong>die</strong>se so zahlreich und argwöhnisch im Protokoll festgehalten<br />

wie beim Prozess gegen Isaak Löbl und Magdalena Gallin. Als Beispiel seien hier<br />

zwei Antworten aus dem sechsten Verhör mit Isaak Löbl wiedergegeben. Die<br />

Fragen des Gerichts betrafen <strong>die</strong> von Magdalena Gallin geschilderten sexuellen<br />

Übergriffe. Die im Original durch Unterstreichung, hier aber kursiv gekennzeichneten<br />

Notanda vermerken Gesten und nonverbale Ausdrucksmittel des Inquisiten,<br />

dazwischen und mit den Gesten korrespon<strong>die</strong>rend, befinden sich <strong>die</strong> in direkter<br />

Rede wiedergegebenen Aussagen Isaak Löbls:<br />

»Er halt <strong>die</strong> Hand zusamen, und sagt: Ich bitt seynd sie doch barmherzig, wenn ich das<br />

zu ihr gesagt, so will ich gleich einsinken. [...] Er macht wilde Gesichter, brumt und sagt:<br />

Sie mögen mit mir machen was sie wollen, ich bin in ihren Händen, mein Lebestag [hab<br />

ich] das nicht mit dem Menschen geredet [...]«. 283<br />

Wie bereits in der Fallanalyse herausgearbeitet, versuchte Isaak Löbl seine<br />

Glaubwürdigkeit durch das beständige Wiederholen seiner Unschuldsbeteuerungen<br />

zu untermauern. Seine konsequent demütige, zuweilen verzweifelt resignative<br />

Haltung schlug sich in eloquenten Sätzen und dramatischen Gesten zu Protokoll.<br />

Trotz des fehlenden Corpus delicti schloss der Rechtgutachter unter Zuhilfenahme<br />

eines verbreiteten Negativstereotyps, dass »<strong>die</strong> Vollbringung dises abscheulichsten<br />

Lasters der vermischung wieder <strong>die</strong> <strong>Natur</strong>«, nicht nur, weil es »ad actum proximu<br />

mediante per effusionem Seminis pollutione« gekommen sei, sondern weil auch<br />

der Charakter und das Gemüt der beiden »mehr als Viehisch unverschämten<br />

Persohnen« nahe lege, dass <strong>die</strong> Missetat von ihnen »ganz sicher, und vielleicht<br />

mehrfältig« vollbracht wurde. 283<br />

Wenig strategisch wirkt dagegen <strong>die</strong> Aussage von Hans Schmid, <strong>die</strong> er im Jänner<br />

1722 vor dem Wartenburger Landgericht ablegte:<br />

»Er habe re[veren] do aine gais angangen und khann solches nicht mehr verschweigen,<br />

sondern mueß Es seines gewißen halber an tag geben, d[a]s Er mit selbiger also zuthuen<br />

gehabt. [...] Habe Ihme nichts anders alß der bloße Muethwillen und Anraiz darzue angetriben,<br />

und sonst dergleichen von Keinem Menschen Niemahls gesehen«. 284<br />

Nicht einmal der Teufel wird hier als »Verführer« und damit als quasi-entschuldigendes<br />

Argument angeführt. Die Freimütigkeit <strong>die</strong>ses Geständnisses wird aber<br />

zweifelhaft, wenn wir berücksichtigen, dass <strong>die</strong>ser Aussage nicht nur schon<br />

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