02.11.2013 Aufrufe

Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Zwar sollte Franz Joseph Bratsch kein so großer Bekanntheitsgrad wie seinem<br />

Vorbild Benedict Carpzov zuteil werden, doch war das Vorgehen des niederösterreichischen<br />

Regierungsrats jenem des berühmten sächsischen Juristen durchaus<br />

ähnlich: mildernde und strafverschärfende Umstände wurden an Beispielen aus der<br />

juristischen Praxis argumentiert. Während sich Carpzov auf <strong>die</strong> Tätigkeit am<br />

Leipziger Schöffenstuhl bezog, nahm Bratsch Beispiele aus der Zeit seiner<br />

Advokatur. Im Gegensatz zu Carpzovs strafrechtlichem Standardwerk verfasste<br />

Franz Joseph Bratsch sein Buch – abgesehen von den lateinischen Zitaten der<br />

Rechtsgelehrten – in deutscher Sprache. Ob es den unterennsischen Rechtsgutachtern<br />

und Richtern tatsächlich »zu Erleuchterung ihrer Arbeit, und sicherer<br />

Richtschnur in Sprechung deren Urtheilen <strong>die</strong>nlich« war, bleibt mangels belegbarer<br />

Anwendungen offen. 42<br />

Als besonders nützlich erweist sich das Register am Ende des Handbuchs. So<br />

fand ich darin den Verweis, dass Bratschs Kommentar zum Artikel 6 (»Von<br />

Schiebung deren Thätern«) ein Fallbeispiel zur Sodomie aufgreift. Es handelt sich<br />

dabei um eine Hofresolution vom 12. September 1715 »den Puncto Sodomiae zur<br />

fünf=jährigen Galeeren=Straf condemnirten Weltlichen Priester Nicolaum N.<br />

betreffend« (Bratsch 1751:26). Darin wird dem erzbischöflichen Konsistorium in<br />

Wien mitgeteilt, dass Sodomie zu jenen Verbrechen zähle, <strong>die</strong> nicht durch ein<br />

geistliches Gericht abgeurteilt werden können, weil sie eine Leibes- oder<br />

Lebensstrafe nach sich ziehen. Daher dürfe das geistliche Gericht »der<br />

Degradation, und Auslieferung an <strong>die</strong> Weltliche Obrigkeit nicht vergessen, jederzeit<br />

aber, wann zu Vollziehung des Urtheils das Brachium Saeculare [der weltliche<br />

Arm] anzuruffen nöthig, solches von dem Lands=Fürsten ohnmittelbar ersuchet<br />

werden müsse«. Diese Ermahnung kam offenbar zustande, weil sich das geistliche<br />

Gericht angemaßt hatte, selbst ein Urteil zu fällen. Karl VI. wollte »vor dißmal<br />

aber« darüber hinwegsehen und<br />

»das gegen den Nicolaum N. gefällte Urtheil in Puncto der mit einem Knaben einmal<br />

begangenen Sodomiae, und dictirter fünf=jährigen Galeeren=Straf mit dem Zusatz bestätiget<br />

[haben], daß ernannter Nicolaus N. auf ewig, auch aus allen Kayserlichen<br />

Erb=Landen verbannisiret, und ausgeschlossen [...] werden solle« (Bratsch 1751:26).<br />

Die eigentlichen Ausführungen zum Sodomie-Artikel in Bratschs Handbuch<br />

umfassen vier Seiten. Die angeführten Fallbeispiele betreffen hier ausschließlich<br />

Sodomie im Sinne sexueller Handlungen zwischen Männern und Tieren. Die<br />

Erläuterungen bleiben nahe an der Struktur des 73. »Articul« der Ferdinandea.<br />

Entweder zitiert Bratsch zum Verständnis von einzelnen Worten einen oder mehrere<br />

Juristen, oder er macht selbst Anmerkungen. Bei seinen kurzen Ausführungen<br />

62

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!