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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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Tiere weder definier- noch zählbar sind, habe ich sie in der grafischen Darstellung<br />

nicht berücksichtigt. Ausgeblendet bleiben konsequenterweise auch <strong>die</strong> Tiere, <strong>die</strong> in<br />

der nicht näher ausgeführten Anschuldigung in puncto bestialitatis inklu<strong>die</strong>rt sind.<br />

Die folgende Grafik umfasst daher nur konkret benannte Tiere.<br />

Auch wenn <strong>die</strong> überwiegende Zahl der hier untersuchten Sodomieprozesse in<br />

Österreich ob und unter der Enns beobachtete oder vermutete sexuelle Kontakte<br />

zwischen Männern und Tieren verhandelte, ist nur in 42 der 53 dokumentierten<br />

Prozesse von bestialitas oder von konkreten Tieren, mit denen »Unzucht getrieben«<br />

worden sei, <strong>die</strong> Rede. In den verbleibenden elf Prozessen wird <strong>die</strong> Anschuldigung<br />

der Sodomie entweder nicht näher ausgeführt, oder es lässt sich aus den Akten<br />

schließen, dass es sich um heterosexuelle bzw. gleichgeschlechtliche Sodomie handelte.<br />

Für das frühneuzeitliche England stellte Keith Thomas fest, dass Bestialität<br />

meistens Kühe oder Pferde betraf (Thomas 1984:119). Der niederländische Biologe<br />

Midas Dekkers erklärt <strong>die</strong> Häufigkeit von Kühen und Pferden unter den sodomisierten<br />

Tieren nicht allein mit ihrer Verbreitung im ländlichen Raum, sondern vor allem<br />

mit ihrem anatomischen Reiz: Sie seien von hinten betrachtet den menschlich-weiblichen<br />

Formen nicht unähnlich.<br />

»Am Hinterteil zeigt das weibliche Vieh aber Eigenschaften, <strong>die</strong> ein Mann auch bei seiner<br />

Frau anziehend findet. Männer fahren nun einmal auf das ab, worin sich Frauen am<br />

meisten von ihnen unterscheiden. Den Unterschied im Umriß, an dem man eine Frau<br />

auch im Dunkeln von weitem erkennt, machen breite Hüften, Hinterbacken und<br />

Oberschenkel aus. Damit sind Kühe, Eselinnen und Stuten verschwenderisch ausgestattet.<br />

Kühe werden für <strong>die</strong> Fleischproduktion eigens daraufhin gezüchtet. Von hinten<br />

betrachtet, bringen <strong>die</strong> sich wiegenden Hüften und <strong>die</strong> in einladender Höhe ausgeprägte<br />

Vulva manch einen Mann in Versuchung« (Dekkers 1994: 84).<br />

Ob der von Dekkers konstatierte anatomische Reiz als Erklärung ausreicht, ist zu<br />

bezweifeln. Jedenfalls lässt sich der Befund von Keith Thomas auch für Österreich<br />

ob und unter Enns bestätigen: Am häufigsten, nämlich einundzwanzig Mal, werden<br />

Kühe in den Prozessakten und Protokollen angeführt. Weiters wurden laut den<br />

gerichtlichen Aufzeichnungen zehn Stuten, ein Fohlen, sechs Schafe, vier Kälber,<br />

zwei Schweine, drei Ziegen, eine Eselin und eine Henne sodomisiert. 49 Tiere wurden<br />

also explizit benannt. Unzählige blieben dagegen unspezifiziert.<br />

Fragen wir nach den nachweislich »rechtsrituell getöteten« Tieren, d.h. im Fall<br />

von Sodomie nach jenen Tieren, <strong>die</strong> als Instrumente der Sünde getötet wurden<br />

(Berkenhoff 1937; Zankl 1991), so hält sich deren Zahl in Grenzen. In Wien endeten<br />

drei Pferde gemeinsam mit den zum Feuertod verurteilten Sodomiten auf dem<br />

Scheiterhaufen: am 11. März 1672 verbrannte man mit dem noch lebenden Jacob<br />

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