Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur
Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur
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117). Umgekehrt adaptierten weltliche Gerichte Kirchenbußen. Wie Isabel Hull<br />
zeigt, veränderten <strong>die</strong>se im Kontext säkularer Strafverfolgung radikal ihre<br />
Bedeutung:<br />
»The Kirchenbuße was merely the opportunity to demonstrate atonement. Beginning in<br />
the fifteenth century, however, secular authorities particularly in cities began handing<br />
down the Kirchenbuße themselves. The secular framework changed the meaning. The<br />
purpose now was to induce shame via public humiliation, thus producing a cheap, but<br />
effective alternative to more drastic bodily punishments« (Hull 1996:17).<br />
2.1. Landgerichtsordnungen des<br />
16. und des frühen 17. Jahrhunderts<br />
Spätmittelalterliche weltliche Gerichte agierten im Vergleich zur zentralistisch<br />
organisierten geistlichen Gerichtsbarkeit eher in lokalen und regionalen Dimensionen.<br />
Das komplexe weltliche Gerichtssystem unterschied verschiedene Kompetenzbereiche.<br />
Grundsätzlich waren niedere und höhere Gerichtsbarkeit voneinander<br />
getrennt. Erstere hatte geringere Vergehen und zivile Klagen zu behandeln,<br />
während letzterer jene Delikte vorbehalten blieben, <strong>die</strong> mit Leibes- und<br />
Lebensstrafen bedroht wurden. Vor der Entwicklung territorial gültiger Gerichtsordnungen<br />
bildeten Weistümer, Landfriedensgesetze, Stadtrechte, Ortsstatuten, das<br />
gemeine Recht sowie das Österreichische Landrecht <strong>die</strong> Grundlagen für<br />
Strafurteile im Erzherzogtum Österreich. Die für Malefizverbrechen zuständigen<br />
Landgerichte waren aus den ehemaligen Grafschaftsgerichten hervorgegangen. Sie<br />
wurden vom Landesfürst als Lehen an Adelige vergeben und hatten ursprünglich<br />
auch zivilrechtliche und Verwaltungsaufgaben zu erfüllen. Adelige konnten<br />
Landgerichtsinhaber sein und großen Einfluss auf <strong>die</strong> Gerichtspraxis haben, waren<br />
aber selbst durch ein kaiserliches Privilegium von der Landgerichtsbarkeit eximiert.<br />
In Österreich ob der Enns erhielten <strong>die</strong> Stände der Herren und der Ritter<br />
1675 das »Criminal Privilegium beeder Politischen Ständen« nach dem Vorbild des<br />
unterennsischen Criminal Privilegium von 1637, jedoch mit dem Vorbehalt, dass<br />
das Verbrechen der Majestätsbeleidigung (crimen laesae maiestatis) weiterhin<br />
allein durch <strong>die</strong> landesfürstliche Obrigkeit bestraft werden dürfe (Codex<br />
Austriacus I:256 u. 265; Theresiana: Art. 19 §13). Neben Adel und Klerus verfügten<br />
auch Universitätsangehörige und Soldaten über eigene Gerichtsbarkeiten<br />
(Suttinger 1716:312-314, 363-380, 598-601, 635-664, 768f u. 935-955).<br />
Die Zuständigkeitsfrage bei der niederen Gerichtsbarkeit gestaltete sich noch<br />
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