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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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Reduktion sollte keine sprachliche Homogenität suggeriert werden.<br />

Die schematischen Kurzfassungen <strong>die</strong>nten der Systematisierung und Standardisierung,<br />

sie sollten einen schnellen Überblick ermöglichen und ein Mindestmaß<br />

an Vergleichbarkeit gewährleisten. Zugleich bildeten sie ein Hilfsmittel zur Anfertigung<br />

der qualitativ orientierten narrativen Skizzen, <strong>die</strong> – wie der Name schon<br />

andeutet – mehr Raum für eine erzählende Analyse ließen 25 und <strong>die</strong> besonderen<br />

Aspekte der Fallbeispiele betonen.<br />

Meine Annäherung an <strong>die</strong> skizzierten Quellen versucht jene theoretischen Zugangsweisen<br />

miteinander zu verbinden, <strong>die</strong> auch mein historisches Arbeiten in den<br />

letzten Jahren beeinflussten. Theoretische Impulse und Erkenntnisse der Geschlechtergeschichte,<br />

der historischen Kriminalitätsforschung, der Sexualitätsgeschichte<br />

und auch der neueren Strafrechtsgeschichte finden hier ihren<br />

Niederschlag. Frauen- und geschlechtergeschichtliche Arbeiten beschäftigten sich<br />

schon früh mit Quellen, <strong>die</strong> im Kontext gerichtlicher Verfolgung produziert worden<br />

waren. Noch bevor sich im deutschsprachigen Raum das Forschungsfeld<br />

»Kriminalitätsgeschichte« etablieren konnte, waren im Bereich der Frauen- und<br />

Geschlechtergeschichte wichtige Erkenntnisse durch <strong>die</strong> Analyse gerichtlicher<br />

Quellen gewonnen worden. KriminalitätshistorikerInnen rezipierten <strong>die</strong> Diskussionsprozesse<br />

und Thesen von feministischen HistorikerInnen aber erst in jüngerer<br />

Zeit und nur selektiv (Griesebner/Mommertz 2000:205-232). VertreterInnen<br />

der neueren Geschlechtergeschichte kritisierten vereinfachende und dichotomisierende<br />

Erklärungsansätze zur weniger häufigen »weiblichen Delinquenz« in<br />

vormodernen und modernen Gesellschaften. Biologische bzw. moralische Qualitäten<br />

»der Frau« wie etwa »Schwäche« und »Friedfertigkeit« oder noch nebulöser:<br />

<strong>die</strong> »weibliche <strong>Natur</strong>« wurden zur Begründung der geringeren Straffälligkeitsrate<br />

von Frauen herangezogen (Burghartz 1995:23-32; Ulbrich 1995:208-220). Ein<br />

Geschlechtermodell, das mit den Kategorien Mann und Frau unausgesprochen<br />

Charaktereigenschaften und Verhaltenserwartungen verbindet, soll in <strong>die</strong>ser Arbeit<br />

vermieden werden. Stattdessen will ich dem Vorschlag von Andrea Griesebner und<br />

Monika Mommertz folgen, <strong>die</strong> dichotomische Bedeutung der Kategorie Geschlecht<br />

auflösen und <strong>die</strong> geschlechtliche Zugehörigkeit nur als eine von vielen<br />

Markierungen einer individuellen Person betrachten. Es ist <strong>die</strong>s ein Konzept, das<br />

dem Zusammenspiel verschiedener Markierungen (geschlechtliche, ethnische,<br />

religiöse Markierung, Stand, Zivilstand, Alter, Bildung, Leumund usw.) in einer<br />

auf Differenzen beruhenden Gesellschaft analytisch Rechnung trägt.<br />

Eine ständisch-hierarchische Gesellschaft ist von Herrschaftsverhältnissen<br />

geprägt, <strong>die</strong> sich gleichermaßen auch nicht befriedigend mit der Binarität zwischen<br />

Herrschenden und Beherrschten fassen lassen. Herrschaft im Sinne von Max<br />

Weber bedeutet »<strong>die</strong> Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren<br />

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