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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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<strong>die</strong> in einem para<strong>die</strong>sischen Zustand der Unschuld und Glückseligkeit lebten und<br />

nicht von der (Erb-)Sünde belastet waren. Indirekt waren sie aber sehr wohl von<br />

der Erbsünde betroffen, denn nach der Vertreibung aus dem Para<strong>die</strong>s, so argumentierten<br />

<strong>die</strong> Kirchenlehrer, habe Gott den Menschen aufgetragen, <strong>die</strong> <strong>Natur</strong> zu<br />

beherrschen. Vor dem Sündenfall, so erfahren wir aus der Genesis (Gen 1,29), hatten<br />

sich Adam und Eva rein pflanzlich ernährt (Brunner 1999:9).<br />

Im Gegensatz zu den positiv mit Unschuld und Frieden assoziierten Kreaturen<br />

im Para<strong>die</strong>s galten bestimmte Tiere in der Frühen Neuzeit als Symbole der Lust<br />

(Meyer 2000:337). Ein nicht geringer Teil der Tiere in Bestiarien wurde mit verbotenen<br />

sexuellen Praktiken oder Beziehungen assoziiert. Promiskuität, Untreue oder<br />

schlicht animalische Lust verbanden sich mit bestimmten Tieren – es gab sozusagen<br />

einen Zoo der sexuellen Devianz. Die Schlange etwa stand für (verbotenen)<br />

Sex per se. Sie wurde in der Interpretation der Genesis zu jenem Tier, das Eva<br />

(auch zum Sex) verführte. Der einflussreiche Kirchenlehrer Augustinus assoziierte<br />

Lust mit animalischer Leidenschaft, menschliche (männliche) Erektionen<br />

bezeichnete er als »bestialische Bewegungen« (Salisbury 1994:77-101). Verschiedene<br />

Tiere wurden in mittelalterlichen Texten sexuell konnotiert: In Alain de<br />

Lilles Traktat De planctu <strong>Natur</strong>ae (12. Jh.) galt <strong>die</strong> Fledermaus als hermaphroditischer<br />

Vogel, stand <strong>die</strong> Taube für den Rausch des Begehrens, der Biber für sexuelle<br />

Selbstverstümmelung und der Widder für Polygamie (Jordan 1997:67-91).<br />

Einigen Tieren wurden deviante sexuelle Praktiken zugeschrieben. Umgekehrt galten<br />

verbotene Sexualpraktiken als bestialisch. Von Hyänen hieß es, sie hätten <strong>die</strong><br />

Fähigkeit, das Geschlecht zu wechseln. Feldhasen wurden mit Analverkehr assoziiert.<br />

Ziegen galten als hermaphroditisch und promiskuitiv. Die Geiß galt auch als<br />

besonders schmutziges Tier. So heißt es etwa im »weiblichen Lust=Garten«, einer<br />

misogynen Schrift aus dem ersten Drittel des 17. Jahrhunderts:<br />

»Die Geiß hat einen so gifftigen Geruch/ daß sie <strong>die</strong> Kräuter und Pflanzen/ <strong>die</strong> sie<br />

anbeißt/ verbrennt und verdürret/ und allzeit nach den Zartesten trachtet: Auf <strong>die</strong>sen<br />

Schlag/ sehen wir/ das <strong>die</strong> unkeuschen Weiber <strong>die</strong> jenigen Personen/ auf <strong>die</strong> sie mit ihrem<br />

[sic!] verfluchten Zungen stechen/ gleichsam pflegen zu brennen« (zitiert nach: Suutala<br />

1999:90).<br />

Verbal mit einer Geiß oder einem Geißbock gleichgesetzt zu werden, implizierte<br />

den Vorwurf sündhafter sexueller Praktiken. Die verbreitete Teufelsdarstellung<br />

mit Bocksfüßen symbolisierte nicht zuletzt <strong>die</strong> teuflische Lust und das für <strong>die</strong><br />

Hölle imaginierte Potential eskalierender sexueller Bestrafungen. Schweine galten<br />

ebenfalls als besonders schmutzige, aber auch den Menschen sehr ähnliche Tiere.<br />

Säue wurden häufig mit sexuellen Ausschweifungen assoziiert. Sozusagen als<br />

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