Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur
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im Landgericht Pöggstall vollzogen werden solle, jedoch müsse zuvor <strong>die</strong> »ratfica[ti]on<br />
einer hochlöbl[ichen] N.Ö. Reg[ierung]« eingeholt werden, weil <strong>die</strong>ser<br />
»<strong>die</strong> oberErkantnus de delicto Sodomia Inhalt Landg[eric]hts Ordnung p[art]: 1.<br />
art[iculus] 41 per expressum vorbehalten ist«. 296<br />
Auch der bereits angeführte Prozess gegen Jacob Wadtsackh war von <strong>die</strong>ser<br />
Phase des Übergangs geprägt. Zwar wurde ein Jurist, Dr. Gälich, beigezogen, doch<br />
gab <strong>die</strong>ser dem untersuchungsleitenden Hauptmann lediglich verfahrenstechnische<br />
Ratschläge. Nachdem er das Verhörprotokoll vom 4. Februar 1690 gelesen hatte,<br />
schlug er vor, ein weiteres Verhör mit dem Inquisiten durchzuführen, weil aus dem<br />
Protokoll des ersten Examens mit Jacob Wadtsackh nicht hervorgegangen sei, »ob<br />
er <strong>die</strong> that mit <strong>die</strong>sem Viech würckhlichen vollbracht und den same würckhlichen<br />
in dise Khue gelossen« habe. Dr. Gälich empfahl deshalb, den Inquisten noch in<br />
der Güte nach den Umständen zu befragen, »wie er zum ersten undt anderten mahl<br />
undt mit was gelegenheit dem Viech zu kommen, nit weniger ob er den saamen<br />
würckhlich in <strong>die</strong> Khue gelossen auch wie offt selbiges beschehen [sei] undt von<br />
wehm er dises abscheüliche laster gelehrnet« habe. Sollte er »dises abscheüliche<br />
laster« noch einmal gestehen, so müsse ein unparteiisches Geding einberufen werden,<br />
welches dann ein Urteil zu verfassen habe. 297 Nachdem Jacob Wadtsackh im<br />
zweiten Verhör gestand, <strong>die</strong> Kuh wirklich sodomisiert zu haben, wurde das unparteiische<br />
Geding einberufen. Dieses aus Bürgern von Nachbargemeinden zusammengesetzte<br />
Gremium weigerte sich aber ein Urteil zu fällen. 298 Dr. Gälich zeigte<br />
sich verwundert, beruhigte den Hauptmann aber: »es wirdt aber <strong>die</strong> Landtsf[ü]r[s]tl[iche]<br />
Reg[ierung] <strong>die</strong>se sach schon erörttern«. 299 Der in der Folge an <strong>die</strong><br />
Niederösterreichische Regierung geschriebene ausführliche Bericht trägt zwar <strong>die</strong><br />
Unterschrift des Hauptmanns, liest sich durch <strong>die</strong> juristisch gelehrte Argumentation<br />
aber mehr wie ein Rechtsgutachten, das möglicherweise von Dr. Gälich oder<br />
zumindest mit dessen Unterstützung verfasst worden war. Das unparteiische<br />
Geding sei deshalb zu keinem Urteil gekommen, »weillen nach lehr der Rechtsgelehrten<br />
sola confessio rei, nit genueg« sei. Bei der Tat gesehen habe den Inquisiten<br />
nur sein damals 6- oder 7-jähriger Bruder, aber nach der Ferdinandea Artikel<br />
14 §4 müsse ein Zeuge in Malefizprossen mindestens 20 Jahre alt sein. Auch der<br />
Rechtsgelehrte Benedict Carpzov sei <strong>die</strong>ser Ansicht. Doch sei in <strong>die</strong>sem Fall <strong>die</strong><br />
Aussage des Bruders Michael Wadtsackh,<br />
»d[a]s er den Verhafften in ipso opere erdapt, von obstante sua minorennitate umb sovill<br />
mehr sufficient [...], weillen solche noch mit andern circumstantijs beclaidet wardt, nemblich<br />
d[a]s er innerhalb einer halben Stundt zweymahl in den Stall khommen, und allezeit<br />
seinen bruedern bey der Khue gefunden« habe.<br />
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