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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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gezählt. Heimliche nächtliche Treffen, blutige Hemden, finanzielle Unterstützung<br />

für einen »schönen Knaben« und ihre (ausländische) Herkunft konnten Männer der<br />

gleichgeschlechtlichen Sexualität verdächtig machen.<br />

»[D]a einer wäre gesehen worden, heimlich zu einem Knaben in eine Kammer zu schleichen,<br />

oder nächtlicher weile einen Knaben bey ihme zu haben, sonderlich, da auf<br />

Erforschunng hernach etwa an dem Bettgewandt, reverendo Hembd, ec. Blut erfunden<br />

worden wäre. [...] Item, <strong>die</strong> Unterhaltung schöner Knaben, wann der Herr eine sehr gaile<br />

unschambare Person, und einer solchen Nation 41 wäre, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se Sünde nur pro peccatillo<br />

halten« (Frölich 1741:259).<br />

Welche territorialen bzw. ethnischen Zugehörigkeiten hier gemeint sind, wird<br />

zwar nicht ausgeführt, dürfte aber den zeittypischen Klischees entsprochen haben<br />

(Türken, Italiener, Juden). So schrieb etwa der Kuriositätensammler Everhard<br />

Happel im Jahr 1683 (!) über <strong>die</strong> türkische Justiz: »Sodomiten stürzt man von<br />

hohen Türmen herunter, sofern es Christen oder Juden sind, denn unter den Türken<br />

selbst kommt <strong>die</strong>ser Greuel sehr häufig vor« (Happel 1683:48). Das Zedler’sche<br />

Universal-Lexicon beschreibt Mitte des 18. Jahrhunderts <strong>die</strong> »Gemüths=Beschaffenheit<br />

der Türckischen Nation« als »hoffärtig, rachgierig und grausam«, »dem<br />

Geitze sehr ergeben« und »zur Geilheit geneigt« (Zedler 45/1745:1689).<br />

Auch gleichgeschlechtliche Praktiken zwischen Frauen werden von Frölich<br />

erwähnt. Neben unangemessenen Berührungen sei besonders das Tragen eines<br />

künstlichen Penis bzw. <strong>die</strong> Benutzung eines Dildos verdächtig. Wichtig sei es auch,<br />

auf äußerliche Spuren der Sodomie bei Mensch und Tieren zu achten:<br />

»Item, da zwischen zwey Weibs=Bilder gar zu freche Antastungen und dergleichen Actus<br />

gesehen würden, <strong>die</strong> mehr verliebten als andern Personen eigentlich seyn, sonderlich, da<br />

etwa äusserliche priapische Instrumenta erfunden worden wären, wie dann auch aus<br />

denen äusserlichen Zeichen, so bey dem Vieh, oder sonst zurück gelassen worden wären,<br />

<strong>die</strong>ses Laster wahrgenommen, und darüber gehörige Inquisition [...] eingelangt werden<br />

solle« (Frölich 1741:259).<br />

Der sechste und letzte Abschnitt listet schließlich <strong>die</strong> Fragen auf, <strong>die</strong> bei der<br />

Inquisition an den Verdächtigten zu richten sind. Wie auch in der Ferdinandea<br />

richten sich <strong>die</strong> Fragen grammatikalisch an einen Mann. Frölich schränkt Sodomie<br />

aber nicht auf gleichgeschlechtliche Praktiken zwischen Männern und Knaben<br />

oder Sexualität mit Tieren ein, für ihn sind auch sodomitische Praktiken mit<br />

»Mägdlein, eigenem Ehe=Weib, ec« (Frölich 1741:260) denkbar.<br />

Zwei weitere Formen sexueller Devianz erwähnt Johann Christoph Frölich im<br />

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