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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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Gewohnheitsrecht zur Anwendung kommen solle (Hoegel 1904:39). In späteren<br />

Landgerichtsordnungen finden sich allerdings ähnliche Regelungen, <strong>die</strong> Hoegel<br />

hingegen als Teil des materiellen Strafrechts interpretiert. In der Theresiana (1768)<br />

ist <strong>die</strong>s beispielsweise der 104. Artikel »Wie es mit den Verbrechen, so allhier nicht<br />

namentlich angeführet, zu halten seye?«. Die gesetzliche Erlaubnis zur bedarfsorientierten<br />

Konstruktion von Delikten war damit lange Zeit Bestandteil des materiellen<br />

Strafrechts. Erst das unter Joseph II. publizierte Allgemeine Gesetzbuch über<br />

Verbrechen und deren Bestrafung (1787) verbot <strong>die</strong> Analogiebildung von<br />

Straftatbeständen nach dem Grundsatz nullum crimen sine lege.<br />

Auch wenn <strong>die</strong> unterennsische Landgerichtsordnung von 1514 modernen Kriterien<br />

einer Rechtsordnung (wie etwa dem Legalitätsprinzip) nicht gerecht wurde,<br />

erfüllte sie nach Ernst Hellbling den hauptsächlichen Zweck der »Festlegung der<br />

ständischen Jurisdiktionsbefugnisse« (Hellbling 1996:7). Das hierarchisch angelegte<br />

Strafrechtssystem sah vor, dass <strong>die</strong> grundherrlichen Gerichte den Landgerichten<br />

zuarbeiteten. Der Landesfürst selbst bildete <strong>die</strong> Spitze der gerichtlichen<br />

Instanzen. Das bedeutete auch, dass allein der Landesfürst eine zum Tode verurteilte<br />

Person begnadigen konnte. Die Begnadigungspraxis sah im frühen 16.<br />

Jahrhundert aber noch anders aus. So zeigte im Jahr 1539 <strong>die</strong> Niederösterreichische<br />

Regierung dem Hofrat und dem Landesfürsten an, dass es viele »Irrungen«<br />

der Gerichte gebe, vor allem bei den Fragen, wann ein Inquisit oder eine Inquisitin<br />

an ein Landgericht auszuliefern und wie bei Begnadigungen vorzugehen sei (vgl.<br />

Griesebner 2000b:13-27). Die Kompetenzen der unterschiedlichen Gerichte waren<br />

demnach unklar und <strong>die</strong> landesfürstliche Justizhoheit im Falle von Begnadigungen<br />

war missachtet worden. Aufgrund <strong>die</strong>ser Anzeige und nach Beratung durch den<br />

Hofrat wurde <strong>die</strong> Landgerichtsordnung von 1514 im Jahr 1540 erneut kundgemacht.<br />

Unter dem Titel »Reformation vnnd ernevwerung der Lanndtgerichtsordnung,<br />

so weilendt Kaiser Maximilian hochlöblicher gedechtnüß im Ertzherzogtumb<br />

Oesterrech vnnder der Enns aufgericht hat«, hob <strong>die</strong> Landgerichtsordnung<br />

von 1540 <strong>die</strong> Justizhoheit des Landesfürsten im Falle von Begnadigungen<br />

bereits im Einleitungstext hervor (LGO NÖ 1540: Einleitung). Die Unübersichtlichkeit<br />

des spätmittelalterlichen Gerichtswesens, <strong>die</strong> Unklarheit darüber, wer<br />

wann und weshalb einem Landgericht auszuliefern sei, war schon während der<br />

Regierungszeit Maximilians I. zum Problem geworden. Um landgerichtliche<br />

Prozesse besser kontrollieren zu können, wurde das Amt des landesfürstlichen<br />

Bannrichters geschaffen. Die Bannrichter 31 , deren es jeweils einen in Österreich ob<br />

und unter der Enns gab, hatten <strong>die</strong> Aufgabe, anstelle des Landgerichtsherrn oder<br />

seines Vertreters, dem mit Schöffen besetzten »unparteiischen Geding« in Malefizprozessen<br />

vorzusitzen und das Urteil zu sprechen. Der Großteil der Landgerichtsinhaber<br />

in Österreich ob und unter der Enns verfügte – genauso wie <strong>die</strong><br />

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