Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur
Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur
Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Am 11. März 1690, Jahre nach der letzten Begebenheit, wurde ein unparteiisches<br />
Geding einberufen. Die von den Markträten aus Waidhofen, Aspach, Seitenstetten,<br />
Amstetten und Blindenmarkt abgeordneten Bürger wurden vom Landgericht aufgefordert,<br />
in einer gemeinsamen Sitzung am 17. März das Urteil über Jacob<br />
Wadtsackh zu fällen. Die Gedingrichter weigerten sich jedoch, über das Schicksal<br />
des jungen Mannes zu bestimmen. Anstelle des geforderten Urteils gaben sie dem<br />
Landgericht am 17. März nur eine sogenannte »Nothwendige Erklärung« ab. Zwar<br />
seien sie als Gremium zur Urteilsfindung über den »in gefänglichen Verhafft ligenden<br />
Jacob Wadtsackh« einberufen worden, doch würden sie sich <strong>die</strong>se Aufgabe<br />
angesichts der schwerwiegenden Anschuldigung und aufgrund der besonderen<br />
Umstände nicht zutrauen. 265 Neben der allgemeinen Bekundung, dass es hierbei um<br />
eine schwerwiegende Materie handle, führten <strong>die</strong> Gedingrichter auch noch spezifischere<br />
Gründe an, warum sie kein Urteil zu fällen wagten. Es sei nur das<br />
Geständnis des Inquisiten vorhanden. Die Aussage seines Bruders, der ihn bei der<br />
Tat beobachtet haben solle, könne deshalb nur als Indiz gewertet werden, weil <strong>die</strong>ser<br />
damals noch ein Kind war. Die Gedingrichter zeigten Verständnis für den<br />
Inquisiten: Er habe vor dem unparteiischen Geding ausgesagt, dass er<br />
»dis, ain Siendt zusein, [nicht gewusst habe] umb Willen er, Niemals in ainer Kirchen,<br />
sondern alle Zeit bey Hauß gewest, bis daß er [...] Von seinem Vattern seel: daß Lezte<br />
mal, scharff mit ainer Gaissel und Prigl gestrafft worden; Seithero aber, undt auf am<br />
Sontagberg verrichte Beicht, und dessen damalliger Sonderer Verweisung, <strong>die</strong><br />
Wissenschafft habe«.<br />
Außerdem sei der Inquisit »dem Befundt nach, rudis et simplex«. Seit der<br />
»Correctur des Vatters« habe er <strong>die</strong> Sünde nie mehr begangen. 266 Nach einem<br />
Bescheid durch <strong>die</strong> Niederösterreichische Regierung wurde Jacob Wadtsackh<br />
schließlich zu 30 Peitschenschlägen und der Verweisung aus Niederösterreich verurteilt.<br />
267<br />
Weder Eva Doppelhammerin, noch Katharina Wenigwögerin, Catharina Gräfin<br />
oder Paul Wadtsackh denunzierten den beobachteten Sodomieversuch. Die konkreten<br />
Motivlagen für <strong>die</strong> Unterlassung einer Anzeige mögen unterschiedlich gewesen<br />
sein. Gemeinsam ist den vier ZeugInnen, dass sie es selbst in <strong>die</strong> Hand nahmen,<br />
<strong>die</strong> versuchte Sodomie zu sühnen bzw. zu strafen. Während Paul Wadtsackh<br />
und Katharina Wenigwögerin auf <strong>die</strong> erzieherische Funktion körperlicher Gewalt<br />
setzten, hielten Eva Doppelhammerin und Catharina Gräfin mehr von der reinigenden<br />
Kraft des Betens und Beichtens. Eva Doppelhammerin schickte ihren Mann<br />
auf Wallfahrt, Catharina Gräfin nahm den Vorschlag des von ihr und dem Tagwerker<br />
zur Rede gestellten Jungen an, dass er für sie zehn Rosenkränze beten<br />
werde. Die Motivation, den eigenen Mann, Sohn oder Kusin nicht anzuzeigen,<br />
181