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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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me, schmerzvolle Tod auf dem Scheiterhaufen sollte beschleunigt werden, ohne es<br />

das Publikum wissen zu lassen. Die im 17. Jahrhundert übliche Praxis dem bzw.<br />

der zum Tode Verurteilten einen Sack mit Schießpulver um den Hals zu hängen,<br />

war vermutlich keine sichere Methode zur schnellen Herbeiführung des Todes. So<br />

wurden – wie <strong>die</strong> genannten Resolutionen belegen – verschiedene Techniken<br />

ersonnen, um dem Inquisiten ein langsames Sterben zu ersparen. Doch dem<br />

Publikum sollte verborgen bleiben, dass der »arme Sünder« nicht qualvoll in den<br />

Flammen des Scheiterhaufens starb, sondern einen schnelleren Tod erfahren hatte.<br />

Der Gedanke, das Strafgesetz selbst entsprechend zu verändern, <strong>die</strong> Strafe des<br />

Verbrennens überhaupt zu streichen, war vor allem wegen der engen Verquickung<br />

von Religion und Strafrecht nicht umsetzbar. Allein schon <strong>die</strong> Wortwahl in den<br />

Gesetzestexten (»das abscheulichste Laster der <strong>Unkeusch</strong>heit <strong>wider</strong> <strong>die</strong> <strong>Natur</strong>, oder<br />

sodomitische Sünd«) verweist auf <strong>die</strong>sen Konnex. Nicht vergessen werden sollte<br />

in <strong>die</strong>sem Zusammenhang <strong>die</strong> Vorgeschichte der auf kanonischem Recht fußenden<br />

und sukzessive an weltliche Gerichte abgegebenen Ahndungskompetenz kirchlicher<br />

Gerichte für sexuelle Sünden. Die bei der Exekution zur Schau getragene<br />

Reue, <strong>die</strong> Begleitung durch einen Geistlichen, manchmal das angeordnete Tragen<br />

eines Bußgewandes und schließlich <strong>die</strong> von der Sünde »reinigende« Strafe des<br />

Feuers selbst sind religiös geprägte Elemente einer von der weltlichen Justiz<br />

durchgeführten Hinrichtung.<br />

Die Strafe des Verbrennens bei lebendigem Leibe wurde bis weit ins 18.<br />

Jahrhundert beibehalten. Der späteste mir bekannte Vollzug einer solch grausamen<br />

Hinrichtung eines Sodomiten in Österreich ob und unter der Enns ereignete sich<br />

1739 in Scheibbs. Im Scheibbser Hinrichtungsprotokoll findet sich <strong>die</strong> Eintragung,<br />

dass Lorenz Weiss lebendig verbrannt wurde. Wäre er vor der Verbrennung enthauptet<br />

oder erdrosselt worden, so wäre das im Protokollbuch oder zumindest in<br />

der überlieferten Rechnung (als zusätzliche Leistung des Scharfrichters) vermerkt<br />

worden. 55<br />

Die materiellen Veränderungen bei der strafrechtlichen Auseinandersetzung mit<br />

dem Delikt Sodomie vom frühen 16. bis ins späte 18. Jahrhundert betreffen vor<br />

allem <strong>die</strong> sukzessive Ausdehnung des Begriffsumfangs. Die als »<strong>wider</strong>natürliche<br />

<strong>Unkeusch</strong>heiten« explizierten Handlungen umfassen in der Carolina wie auch in<br />

den frühen unter- und obderennsischen Landgerichtsordnungen von 1514, 1540,<br />

1559 und 1627, sogar noch in der Ferdinandea (1656) und in der Leopoldina<br />

(1675) ausschließlich Bestialität und gleichgeschlechtliche Sexualität. Schon Mitte<br />

des 16. Jahrhunderts stellte der flämische Rechtsgelehrte Jost Damhouder <strong>die</strong><br />

wortwörtliche Lesart der Carolina in Frage, indem er angelehnt an das kanonische<br />

Recht drei Arten der »sodomitischen <strong>Unkeusch</strong>heit« unterschied: Sodomie an sich<br />

selbst, mit anderen Menschen und mit Tieren und eine differenzierte Ahndung <strong>die</strong>-<br />

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