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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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»geheimen« Delikt ausmache; und ob der Versuch genau so streng zu bestrafen sei<br />

wie <strong>die</strong> vollbrachte Tat. Diese Gutachten glichen eher Abhandlungen über den zeitgenössischen<br />

strafrechtlichen Diskurs als Urteilsvorschlägen. Beispiele dafür sind<br />

das Gutachten zu Adam Prandsteter und in abgemilderter Form auch das Gutachten<br />

von Dr. Frideli zu Georg Doppelhammer.<br />

Für <strong>die</strong> Angeklagten war es wichtig, ob <strong>die</strong> Gutachter einen grundsätzlichen<br />

Unterschied zwischen versuchter und vollbrachter Tat (conatus und immissio seminis)<br />

machten und ob sie <strong>die</strong> »Erklärungen« der Inquisiten für ihr »<strong>wider</strong>natürliches«<br />

Handeln als mildernde Umstände oder bloß als vorgeschobene Verteidigungsstrategien<br />

bewerteten. Michael Puchegger und Simon Schwandtner wurden<br />

der versuchten Sodomie beschuldigt, während Georg Wegleuthner, Daniel<br />

Weissenstainer, Jacob Wadtsackh und Georg Dörffl der »vollbrachten Tat« angeklagt<br />

waren. Im Fall von Magdalena Gallin und Isaak Löbl stand nicht so sehr <strong>die</strong><br />

Frage nach versuchter oder vollbrachter Sodomie im Zentrum (zumal es ja bei<br />

»<strong>wider</strong>natürlichen« heterosexuellen Praktiken nicht primär um eine immissio seminis,<br />

sondern meist um <strong>die</strong> »Vergeudung« des Samens ging), sondern vielmehr,<br />

wessen Aussage glaubwürdiger war. Nicht einmal »ad proximum conatum«, also<br />

nicht einmal in <strong>die</strong> Nähe eines Versuchs kam Georg Doppelhammer nach Auffassung<br />

von Dr. Frideli, der damit <strong>die</strong> Aussagen des Inquisiten und seiner Frau in<br />

juristische Termini übertrug. Als bloßes Gerücht bezeichnete Dr. Freyenberg <strong>die</strong><br />

Sodomieanschuldigung gegen Christoph Materi. Für Johann Hauer wurde nicht<br />

nur sein guter Leumund in <strong>die</strong> Waagschale geworfen, sondern auch <strong>die</strong> mangelnde<br />

Glaubwürdigkeit des Denunzianten.<br />

Recht unterschiedlich waren <strong>die</strong> Argumente, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Rechtsgutachter als strafmildernde<br />

Umstände akzeptierten. Michael Puchegger hatte beispielsweise ausgesagt,<br />

dass er es damals nicht »verstanden« habe, als er mit den Schafen »zu tun«<br />

hatte. Seine Naivität und sein jugendliches Alter wurden als Milderungsgründe<br />

bewertet. Ähnlich war es bei Jacob Wadtsackh und Simon Schwandtner. Beiden<br />

wurde ihre Jugend und ihr Unverstand bzw. ihre Einfalt zu Gute gehalten, doch<br />

hatten sie <strong>die</strong>se in den Rechtsgutachten als entlastend bewerteten Argumente nicht<br />

selbst ins Spiel gebracht, sondern waren im Fall von Simon Schwandtner durch ein<br />

Notandum auf dem Verhörprotokoll, im Falle Jacob Wadtsackhs möglicherweise<br />

durch <strong>die</strong> schriftliche Erklärung des unparteiischen Gedings in den Blick der<br />

Rechtsgutachter gelangt und aufgegriffen worden. Im Gegensatz zu den Aussagen<br />

Jacob Wadtsackhs und Simon Schwandtners bewerteten <strong>die</strong> Rechtsgutachter <strong>die</strong><br />

Aussagen von Georg Dörffl als vorgeschobene Verteidigungsstrategie. Zuerst habe<br />

er völlig abgestritten, mit seiner eigenen Kuh »zu tun« gehabt zu haben, gab dann<br />

aber zu, dass er sein »männliches Glidt« an <strong>die</strong> Kuh gehalten habe, um sich<br />

dadurch eine Milderung seiner Schmerzen zu verschaffen. Letztlich gab er zu, dass<br />

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