Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur
Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur
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nicht weglassen könnte, »und der Thätter sonst mit khötten gepunden und lebendig<br />
auf den Scheitterhauffen gelegt werden mechte«. Das wäre eine organisatorische<br />
und finanzielle Erleichterung, denn sonst müssten »alle Zimmerleith im ganzen<br />
Gricht Maister, Khnecht, und Jungen (deren mer als hundert sein)« <strong>die</strong> Säule<br />
gemeinsam anfertigen, was mehr als 20 Gulden kosten würde. Die Herstellung der<br />
Materialien, <strong>die</strong> der Bannrichter für <strong>die</strong> Exekution anforderte, wäre vor allem aufgrund<br />
des handwerklichen Ehrenkodex kostspielig. 108 Ein Zimmermann konnte<br />
wegen der Ehrenrührigkeit <strong>die</strong>ser Tätigkeit unmöglich alleine eine Hinrichtungsstätte<br />
oder auch nur einen Teil davon bauen. Um <strong>die</strong> Ehre des einzelnen nicht zu<br />
verringern, war es üblich, das ganze Zimmerhandwerk des Gerichtsbezirkes<br />
zusammenhelfen zu lassen. Das Problem mit den Eisenketten lag ähnlich. Würde<br />
der Inquisit zur Enthauptung begnadigt, so <strong>die</strong> Argumentation des Landgerichtsverwalters,<br />
so wären weder <strong>die</strong> Eisenketten noch <strong>die</strong> Eichensäule notwendig.<br />
Sollte Abraham Pichler aber tatsächlich lebendig verbrannt werden müssen, so<br />
sollten wenigstens einfachere Ketten ohne Eisenstifte angefertigt werden. Zu klären<br />
blieb zudem <strong>die</strong> Frage, wie mit der mitzuverbrennenden Kuh umzugehen sei:<br />
»Und zum fall <strong>die</strong> Khue auch lebentig verprennt werden mueß, so mueß man derzue<br />
one Zweifel auch ain Eiserne Khetten haben, wie und was gestalt <strong>die</strong>selbe sein<br />
solle«. Auch <strong>die</strong> abschließende Anmerkung Wolf Nidermaiers betraf <strong>die</strong> Kosten<br />
der Hinrichtung und <strong>die</strong> Befürchtung, dass organisatorische Fehler den reibungslosen<br />
Ablauf der bevorstehenden Exekution gefährden könnten.<br />
»Es Meld auch der herr von 10 Claffter Scheiter, welches mich auf den Thätter und Khue<br />
zu wenig zu sein bedeungkht. [...] diß alles schreib Ich dem herrn allain darumben zue,<br />
damit man hernach auf der Richtstatt khainen Spott begehe [...]«.<br />
Am 18. Februar langte aus Orth im Traunsee <strong>die</strong> Abschrift der summarischen<br />
Aussage von Magdalena Pichlerin ein. Magdalena Pichlerin bestätigte, dass ihr<br />
Stiefvater sie einmal mit Gewalt zur »Blutschande« gezwungen hatte. 109 Die Notwendigkeit<br />
einer gerichtlichen Confrontation, das heißt einer persönlichen Gegenüberstellung,<br />
erübrigte sich damit. Der Frage, ob der Inzest völlig »vollbracht« worden,<br />
also ob es zur »Einlassung des Samens« gekommen sei, wurde weder im<br />
Verhör mit Abraham Pichler noch im Verhör mit Magdalena Pichlerin nachgegangen.<br />
Am 27. Februar 1604 versammelten sich der Bannrichter, der Landgerichtsverwalter,<br />
<strong>die</strong> Amtleute und ausgewählte Rechtssprecher im Schloss Wartenburg,<br />
um den Rechtstag abzuhalten. 110 Das Urteil fiel der Skizzierung des Bannrichters<br />
entsprechend streng aus. Die sexuelle Gewalt gegenüber der Stieftochter wurde mit<br />
keinem Wort erwähnt.<br />
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