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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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Finsterriglers Aussagen, dass er auch eine dem Stift gehörende Kuh und zwei dem<br />

Stift gehörende Kälber »angegangen« habe. Danach folgen, als weitere sexuelle<br />

Sünden, wiederholte Fornikation und Ehebrüche im Protokoll: »mit Eefrauen und<br />

anderen ledigen weibßpersonnen« habe er »sein Unzucht triben«. Seine sexuellen<br />

Sünden seien so zahlreich gewesen, dass sie gar nicht einzeln aufgelistet werden<br />

könnten. Während in der »Bekhandtnuß« zahlreiche Diebstähle von Getreide,<br />

Fleisch, Fisch und Wein, großteils aus dem herrschaftlichen Besitz des Stiftes<br />

betont werden, tritt in der »Urgicht« <strong>die</strong> übermässige sexuelle Delinquenz hervor.<br />

Die Passage, in welcher <strong>die</strong> sodomitischen Praktiken geschildert werden, wird mit<br />

einem Topos eingeleitet. Eine »Eingabe« des Teufels habe den Inquisiten verführt.<br />

Am 9. November fand der Rechtstag statt. Zwölf namentlich aufgelistete Urteilsfasser,<br />

bestehend aus ausgewählten Landhubern, vergleichbar den Freiaignern im<br />

Hausruckgebiet (OÖW2/1956:249-263), der Hofrichter (wie der Landgerichtsverwalter<br />

in geistlichen Herrschaften genannt wurde) und der Bannrichter tagten in<br />

der Schranne des Landgerichts Spital am Pyhrn im Markt Windischgarsten.<br />

Das Urteil sah vor, Leonhard Finsterrigler »durch das Feuer vom leben zum<br />

Todt« hinzurichten. Doch findet sich auf der Rückseite des Urteils vermerkt, dass<br />

der »Mißetheter« aufgrund geistlicher Fürsprache »und allerhandt erheblichen<br />

Ursachen« zur vorherigen Enthauptung begnadigt wurde. 123 Über eine undatierte<br />

Rechnung 124 und <strong>die</strong> Quittung des Bannrichters Hans Freywerger 125 bekommen wir<br />

einen Eindruck vom finanziellen Aufwand der Hinrichtung: Der Bannrichter<br />

bekam für seine Tätigkeit und seine Reisekosten zwanzig Gulden. Dem (namentlich<br />

nicht angeführten) Scharfrichter wurden siebzehn Gulden und vier Schilling<br />

bezahlt. Dass gemeinsam mit Leonhard Finsterrigler auch eine Kuh getötet und<br />

verbrannt wurde, lässt sich daraus schließen, dass ein gewisser Stephan Pichel<br />

»umb ain Khue« fünf Gulden und vier Schilling erhielt. Ein gewisser Thomas<br />

Schreling, möglicherweise der Gerichts<strong>die</strong>ner, erhielt für nicht näher spezifizierte<br />

Leistungen zehn Gulden.<br />

Viereinhalb Jahrzehnte nach der Verurteilung Leonhard Finsterriglers wurde<br />

Daniel Weissenstainer am 21. Februar 1639 vom Windischgarstner Marktrichter<br />

verhaftet. Rosina Lanzin aus Windischgarsten hatte ihn am 20. Februar beobachtet,<br />

wie er »ain Khue angegangen und sein pestialitet mit ihr vollbracht habe«. 126<br />

Ob sie selbst zum Marktrichter gegangen war oder ob sie ihren Vater Wolf Lanzen<br />

geschickt hatte, ist unklar. Abgesehen von der Erwähnung der Denunziation in der<br />

einleitenden Passage des »gütigen« Verhörs vom 27. Februar wird Rosina Lanzin<br />

in den überlieferten Akten nicht mehr genannt. Im Unterschied zu späteren<br />

Sodomieprozessen gibt es keine ZeugInneneinvernahmen. Aus dem ersten Verhör<br />

erfahren wir, dass Daniel Weissenstainer zum Zeitpunkt der Verhaftung 28 Jahre<br />

alt war und bis zu seiner Verhaftung als Hausknecht beim Windischgarstner Bürger<br />

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