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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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sowie nicht-prokreativer Sexualität und an dritter Stelle Masturbation. Die im<br />

Paragraph 6 des 74. Artikels erläuterten Strafdrohungen nehmen allerdings eine<br />

andere Bewertung vor. Wie schon in der Ferdinandea werden nur zwei Formen der<br />

Sodomie explizit benannt – Bestialität und »Knabenschändung« und auch <strong>die</strong><br />

Strafandrohungen werden übernommen: bei Bestialität droht Verbrennung bei<br />

lebendigem Leibe mitsamt dem Tier, bei »Knabenschändung« <strong>die</strong> Enthauptung mit<br />

nachfolgender Verbrennung. »All-übrige <strong>wider</strong>natürliche <strong>Unkeusch</strong>heiten [sollen]<br />

willkührlich nach Gestalt der Umständen schärffer, oder gelinder gestraffet werden«<br />

(Theresiana: Art. 74 §6 drittens). Bei der Strafandrohung für Bestialität findet<br />

sich ein Zusatz, der einem Kommentar in einem juristischen Handbuch ähnelt:<br />

»Wobey zu bemerken, daß, wenn auch der Thäter entflohen, oder vorher verstorben, oder<br />

aus was immer für einer Ursach der Todesstraffe entgangen wäre, dessen unangesehen<br />

das Viehe, womit derley Unthat verübet, oder angemasset worden, bey der Obrigkeit,<br />

worunter sich selbes befindet, heimlich durch den Abdecker zu vertilgen seye, damit<br />

keine Erinnerung, und Merkmahl solchen Greuels in der Gemeinde zuruckbleibe«<br />

(Theresiana: Art. 74 §6 erstlich).<br />

Der Anordnung zur Tötung des »benutzten« Tieres war in der Ferdinandea und<br />

in der Leopoldina noch nicht in <strong>die</strong>ser Deutlichkeit vorhanden. Dort hieß es lediglich,<br />

dass das Tier mitzuverbrennen sei, »so es anderst noch vorhanden«<br />

(Ferdinandea: Art. 73 §4). Dafür entfiel in der Theresiana <strong>die</strong> Warnung dass »niemahlen<br />

aber in den Urtheln, das jenige, so Aergernuß geben möchte, offentlich<br />

abgelesen werden« solle (Ferdinandea: Art. 73 §5; Leopoldina: III Art. 15 §5).<br />

Die Strafgesetze heben damit unterschiedliche Aspekte der Tabuisierung hervor.<br />

Das Verbot, das »unaussprechliche Laster« zu deutlich durch das öffentlich verlesene<br />

Urteil bekannt zu machen, hat präventiven Charakter. Es soll <strong>die</strong> Nachahmung<br />

<strong>die</strong>ser »Sünde« verhindern, <strong>die</strong> vielen Menschen – so das juristisch-theologisch<br />

geprägte Verständnis der Gesetzesverfasser – erst durch ihre Schilderung<br />

schmackhaft gemacht werde. Anders verhält es sich bei der Vernichtung des Tieres<br />

als dem »Werkzeug der Sünde«. Wenn eine Erinnerung ausgelöscht werden soll, so<br />

setzt <strong>die</strong>s ein Wissen in der Gemeinde um das Geschehene voraus, ein Wissen, das<br />

auch auf der öffentlichen Urteilsverlesung basiert, <strong>die</strong> das Publikum auf <strong>die</strong><br />

Statuierung eines Exempels vorbereiten und von ähnlichen Taten abschrecken sollte.<br />

Prävention durch Verschwiegenheit oder Abschreckung – <strong>die</strong>se beiden strafrechtlichen<br />

Grundgedanken geraten beim Delikt und der Sünde Sodomie in einen<br />

Konflikt. Wie sollte <strong>die</strong> strenge Bestrafung eines gesetzesbrechenden Menschen<br />

dem Publikum zur abschreckenden Belehrung <strong>die</strong>nen, wenn <strong>die</strong> Ursache der<br />

Bestrafung nicht genannt werden durfte? Der Abschreckungsgedanke gerät auch<br />

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