Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur
Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur
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schöpfungsgeschichtlichen Hierarchie – dem Menschen untergeordnetes Tier könnte<br />
aber auch auf des Inquisiten Kenntnis und strategischem Einsatz von strafrechtlich<br />
relevanten Milderungsumständen beruhen. Wie bereits erwähnt sahen <strong>die</strong><br />
Criminal Codices des 17. und 18. Jahrhunderts für <strong>die</strong> nicht vollbrachte Tat eine<br />
extraordinari Straff, d.h. eine mildere als <strong>die</strong> Feuerstrafe vor. Dass sexuelle Handlungen<br />
mit Tieren nicht bloß eine schwere Sünde darstellten, sondern auch als strafwürdige<br />
Taten angesehen wurden, hatte Gottlieb Weinegger schon in seiner Jugend<br />
zu spüren bekommen. Als er im Alter von 13 oder 14 Jahren für den Bauern auf der<br />
sogenannten Fischeröd <strong>die</strong> Schweine hütete, habe er eines Morgens im Sommer<br />
hinter dem Stadel »ein schwein hergehalten, und auch d[a]s seine still gestanden<br />
gekrazet volgl[ich] an solcher mit sein entblöst=Männl: glied angesezt und gesündiget«.<br />
191 Seine ältere Schwester Maria, <strong>die</strong> beim selben Bauern in Dienst stand,<br />
hatte <strong>die</strong> sodomitische Tat gesehen und, so Gottlieb Weineggers Aussage, »ihme<br />
angeschrien, und scharff verwisen, auch solches der Muetter gesagt, <strong>die</strong> den Sontag<br />
darauf hineinkommen, und ihme disserthalben mit ruethen starckh, und alsolang<br />
gestrichen, bis Er solches nicht mehr zu thuen versprochen, hete auch vill tag grosse<br />
Ridl [Striemen] gehabt«. 192 Maria Weineggerin, <strong>die</strong> als Zeugin des mehr als eineinhalb<br />
Jahrzehnte zurückliegenden Vorfalls vor Gericht berufen wurde, erinnerte<br />
sich, dass sie ihren Bruder an einem Sommermorgen »unter den Stadl bey einer<br />
S[alva] V[enia] Schwein mit herabgelassenen Hosen, und mit seinen entblösten<br />
Männlichen Glied Bet hintenher der S[alva] V[enia] bemelten schwein angetroffen«.<br />
Sie habe ihn angeschrien, er habe sich gleich umgedreht und »von der schwein<br />
abgelossen, und sein scham verborgen, <strong>die</strong> sye auch in umkeren blosser gesehen«.<br />
Ob ihr Bruder »dises erschröckl[iche] laster genzl[ich] vollbracht, oder hierzue Erst<br />
habe anfangen wollen, seye ihr nicht wissend«. Später habe sie der Mutter davon<br />
erzählt, <strong>die</strong> ihn mit der Rute so hart schlug, dass mehrere Tage lang Striemen sichtbar<br />
waren und sie habe »demselben seine anmuethung zu solchen erschrökl[ichen]<br />
laster thatten hart verwisen, der auch über besagt: Müett[er]l[iche] Ermahnung und<br />
straff alle besserung Versprochen«. 193 Es ist anzunehmen, dass <strong>die</strong> drastischen<br />
Reaktionen der Schwester und der Mutter daher rührten, dass ihnen <strong>die</strong> religiöse<br />
und <strong>die</strong> strafrechtliche Tragweite <strong>die</strong>ser »Sünde« bekannt war. Vertrauen wir<br />
Gottlieb Weineggers Aussagen, so hatte er <strong>die</strong> katholische Verurteilung der »<strong>wider</strong>natürlichen«<br />
wie auch der außerehelichen, »natürlichen« Sexualität zwar bereits seit<br />
seiner Jugend internalisiert, was ihn aber nicht daran hinderte, sodomitische und<br />
andere »unkeusche« Praktiken auszuüben. Das schlechte Gewissen plagte ihn, wie<br />
er es ausdrückte, weil ihn »sein geilles gemüeth, und der wilde Satan« 194 immer wieder<br />
zu sexuellen Sünden verführt hätten, deren Beichte er nicht wagte.<br />
Die von Gottlieb Weinegger sodomisierten Tiere konnten vom Gericht nur zum<br />
Teil ausgeforscht werden. So hielt etwa ein Notandum im artikulierten Verhör fest,<br />
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