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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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ßert worden und wurde als Verbalinjurie bewertet. Seitens des Gerichts gab es<br />

offenbar keinen Anlass zu Nachforschungen hinsichtlich des Realitätsgehalts <strong>die</strong>ser<br />

Beschimpfung. 20 Bei einem Verfahren, das gegen Ende des 17. Jahrhunderts vor<br />

dem grundherrlichen Gericht der Herrschaft Weinberg geführt wurde, war es<br />

anders. Der ebenfalls in Form einer Verbalinjurie vor Gericht gebrachte Sodomievorwurf<br />

sollte kurze Zeit später vor das Landgericht getragen und als Sodomiebeschuldigung<br />

verhandelt werden. 21 Die übrigen 51 Prozesse sind lediglich auf der<br />

Malefizebene, d.h. in landgerichtlichen Akten und Gerichtsbüchern, dokumentiert.<br />

Was <strong>die</strong> Anschuldigungen betrifft, so ist in 31 Fällen ausschließlich von versuchter<br />

oder begangener, einfach oder mehrfach verübter Sodomie bzw. Bestialität <strong>die</strong><br />

Rede. Dieser hohe Anteil von reinen Sodomiebeschuldigungen muss allerdings<br />

insofern mit Vorsicht interpretiert werden, als <strong>die</strong>se Prozesse zum Teil nur durch<br />

Rechnungen oder extrem kurze Protokollbucheinträge überliefert sind. 22 In 22<br />

Fällen wird <strong>die</strong> Anschuldigung der »<strong>wider</strong>natürlichen <strong>Unkeusch</strong>heit« hingegen<br />

von anderen Vorwürfen begleitet (Diebstahl, Fornikation, Inzest, Ehebruch,<br />

Bigamie, Mord, Brandstiftung, Rebellion, Blasphemie, Vagabun<strong>die</strong>ren, Verbalinjurie).<br />

Fallweise, besonders bei der Anhäufung »kapitaler Verbrechen«, entsteht<br />

der Eindruck, dass <strong>die</strong> Anschuldigung der Sodomie <strong>die</strong> Unumgänglichkeit eines<br />

Todesurteils unterstreichen sollte, wie bei den Prozessanalysen noch auszuführen<br />

sein wird.<br />

1.3. Theoretische und methodische Herangehensweise<br />

Parallel zum Prozess des Suchens begann für mich der Prozess des (Ein-)Lesens.<br />

Die Transkription 23 der Kurrent geschriebenen und teilweise recht schwer zu entziffernden<br />

Quellen nahm ich entweder direkt im Archiv oder bei umfangreicheren<br />

Funden mithilfe von Kopien zu Hause vor. Diese Transkriptionen bildeten erstens<br />

<strong>die</strong> Grundlage zur Erstellung schematischer Kurzfassungen, aus denen ich zweitens<br />

unter Miteinbeziehung zusätzlicher Informationen narrative Darstellungen der<br />

einzelnen Gerichtsverfahren verfasste. Die Überschriften der schematischen Kurzfassungen<br />

enthalten Informationen zum Ort (Herrschaft bzw. Landgericht), zum<br />

Zeitpunkt (Jahreszahl) und zur beschuldigten Person bzw. den beschuldigten<br />

Personen. Darunter wird der Prozessverlauf nach drei Aspekten aufgeschlüsselt:<br />

nach den überlieferten Quellen, nach den Anschuldigungen und nach der<br />

Bestrafung. Konkret fragte ich: Welche Schriftstücke sind überliefert? Wann wurden<br />

sie verfasst? Handelt es sich ausschließlich um Sodomie oder werden noch<br />

andere Delikte angeführt? Ist es ein bloßer Verdacht oder eine konkrete Beschuldigung?<br />

Gibt es Unterschiede zwischen Gutachten und Endurteil? Hat sich jemand<br />

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