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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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<strong>die</strong>rt nur geringfügig mit den Aussagen des Verurteilten. Die einzige dezi<strong>die</strong>rt<br />

genannte Rechtsquelle ist <strong>die</strong> Carolina. 294<br />

Etwas anders sieht <strong>die</strong> Sache im Prozess gegen Michael Puchegger aus, der viereinhalb<br />

Jahrzehnte nach der Hinrichtung von Daniel Weissenstainer stattfand. Am<br />

23. Juni, am 30. Juni und am 14. Juli 1684 wurden Verhöre mit dem wegen Inzest<br />

und Sodomie angeklagten Bauernknecht vorgenommen. Er habe vor Jahren, als er<br />

noch sehr jung war, zweimal versucht, ein schwarzes Schaf auf der Weide »anzugehen«.<br />

Dabei sei er vom Bauern, bei dem er arbeitete, erwischt worden. Vollbracht<br />

habe er <strong>die</strong> Tat aber nicht. Geschehen sei <strong>die</strong>s aus »Unverstandt«. Im rechtlichen<br />

Gutachten wurden Pucheggers Aussagen nicht nur wiedergegeben, sondern unter<br />

Berufung auf <strong>die</strong> Leopoldina sowie entsprechender Ausführungen bekannter<br />

Rechtsgelehrter (Benedict Carpzov, Prosper Farinacius und Jacob Menochius) als<br />

mildernde Umstände bewertet, <strong>die</strong> eine Verhängung der Feuerstrafe nicht rechtfertigen<br />

würden. Der Rechtsgutachter hielt fest, dass er aus den ihm zugesandten Akten<br />

entnehme, dass Michael Puchegger »<strong>die</strong> Schoff angangen habe, doch solches vor 6<br />

Jahren nur 2 mahlen, und d[a]s er daß werckh nicht Vollbringen khhönen, weillen<br />

sie ihme zu eng gewesen, Und er auch dazumallen es nicht verstandten hette«. Nur<br />

<strong>die</strong> vollbrachte Tat sei aber mit dem Scheiterhaufen zu bestrafen. Dazu komme, dass<br />

der Verhaftete nicht genau wisse, wann er »dises laster, oder mehrers conatum<br />

begangen habe, und vermeint, d[a]s es beyleiffig noch vor 6 Jahren, alß er nemblichen<br />

noch khaum pubertatem attingirt, beschechen seye«, weshalb ebenfalls keine<br />

poena ordinaria verhängt werden könne. Michael Puchegger wurde schließlich zu<br />

Rutenschlägen und der Verweisung aus dem Landgerichtsbezirk verurteilt. 295<br />

Während im Fall von Daniel Weissenstainer juristische Laien unter dem Vorsitz<br />

des obderennsischen Bannrichters das Urteil fällten und sich kaum auf <strong>die</strong> protokollierten<br />

Aussagen des zu verurteilenden Inquisiten stützten, war es im Prozess<br />

gegen Michael Puchegger ein Rechtsgelehrter in Linz, der dem Landgericht einen<br />

Urteilsvorschlag unterbreitete. Mit der verpflichtenden Beiziehung eines Rechtsgutachters<br />

bei bestimmten Delikten wurde nicht nur das Schöffengericht allmählich<br />

obsolet. Die von mündlichen, nicht genau protokollierten Verfahren »vor Ort«<br />

geprägte Vorgangsweise des Malefizgerichts veränderte sich mit der Aktenversendung<br />

zu einem schriftlich-fixierten Verfahren und wurde dadurch für den<br />

Landesfürsten und seine Beamten besser kontrollierbar. Ein weiteres Beispiel für<br />

den allmählichen Übergang von unparteiischem Geding zu Rechtsgutachtern findet<br />

sich im Parere zu Georg Dörffl. Der Gutachter Dr. Hoffrand vertritt <strong>die</strong><br />

Auffassung, dass im Fall Georg Dörffls weder ein Beiurteil zur Folter einzuholen<br />

noch »auch dessentwegen ein Unpartheyisch geding /: weilen der Rechtsgelehrten<br />

eingeholtes Rechtliches parere eben so viell ist:/ zu besezen nöthig seye«.<br />

Stattdessen plä<strong>die</strong>rt er für eine zweijährige Arbeitsstrafe in Eisen und Banden, <strong>die</strong><br />

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