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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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über <strong>die</strong> Indizien, <strong>die</strong> eine Nachforschung notwendig machen (§1), fügt er beispielsweise<br />

ein:<br />

»im übrigen ist überhaupt anzumercken, daß <strong>die</strong> alleinige Bekanntnuß des Inquisiten<br />

nicht genug, sondern daß auch andere Muthmassungen wegen <strong>die</strong>ses begangenen Lasters<br />

nach bescheidnem Ermessen des Richters erforderlich seyen, anbey kommet es in etwelchen<br />

Fällen auf ein Parere Medicum [medizinisches Gutachten] an« (Bratsch 1751:194).<br />

Bratsch ermahnt Richter und Beisitzer, keine vorschnellen Schlüsse aus einem<br />

Geständnis zu ziehen. Dass er <strong>die</strong> Einholung eines medizinischen Gutachtens »in<br />

etwelchen Fällen« empfiehlt, lässt sich zumindest in zwei Richtungen interpretieren:<br />

Es könnte sich erstens um <strong>die</strong> Suche nach etwaigen Spuren am Körper des<br />

Sodomiten bzw. des sodomisierten Knaben oder Tieres handeln. Zweitens könnte<br />

damit <strong>die</strong> Überprüfung des Geisteszustands des Beschuldigten inten<strong>die</strong>rt sein (vgl.<br />

Lorenz 1999:189-207).<br />

An manchen Stellen seines Kommentars wird der niederösterreichische<br />

Regierungsrat exemplarisch. So behandelt er <strong>die</strong> juristisch wichtige Frage ob »<strong>die</strong><br />

Tat vollendet« wurde, mit einem Beispiel, das seinen Lesern wiederum <strong>die</strong> aus seiner<br />

Sicht notwendige Skepsis gegenüber den Aussagen der Beschuldigten verdeutlichen<br />

soll:<br />

»Hier ist der Casus anzumercken, daß einer bekennet habe, mit einer Englischen Docke<br />

<strong>die</strong>ses schandliche Laster begangen zu haben, wessentwegen er auch zum Feuer condemniret<br />

worden ist, da aber jemand <strong>die</strong>se Criminal-Acta eingesehen, und daraus ersehen hat,<br />

daß <strong>die</strong>se Docke zur Zeit <strong>die</strong>ses vollbrachten Lasters tragend gewesen, haben vor ihme<br />

Inquisten <strong>die</strong> Jägerey=Verständige eine Parere dahin von sich gestellet, daß ein Hund, so<br />

tragend ist, keinen anderen so lang, bis er ausgeschüttet, zulasse; mithin <strong>die</strong>ser Inquisit<br />

der der tragend=geweseten Englischen Docke das Laster nicht habe vollenden können,<br />

wessentwegen <strong>die</strong>ser Inquisit nicht mit dem lebendigen Feuer, sondern extra-ordinariè<br />

gestraft worden ist. Wann ein Inquisit aussaget, mit einem gewissen Vieh sich versündiget<br />

zu haben, muß man vor allem inquiriren, ob ein dergleichen Vieh vorhanden, oder<br />

vorhanden gewesen seye; item muß man auch <strong>die</strong> Grösse des Inquisiten, und des Viehs<br />

ermessen, mithin hieraus erkennet werden, ob <strong>die</strong> That habe vollbracht werden können,<br />

welches ebenfalls zu observiren ist, wann der Inquisit sich eines Stühlerls be<strong>die</strong>net zu<br />

haben vorgibet« (Bratsch 1751:194f).<br />

Franz Joseph Bratsch fordert <strong>die</strong> untersuchenden Landgerichte auf, sich nicht<br />

nur der Existenz des sodomisierten Tieres zu versichern, sondern auch genaue<br />

Angaben über <strong>die</strong> Körpergröße des Beschuldigten im Verhältnis zu jener des Tieres<br />

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