Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur
Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur
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indiciis Scabinos ad poenam ordinariam conclusisse ac pronuntiasse restatur«<br />
(Blumblacher 1670:231). Heruntergelassene Hosen, das Betreten eines »geheimen«<br />
(verdächtigen) Ortes, <strong>die</strong> Beobachtung der Tat selbst oder der Vorbereitungen<br />
dazu durch ZeugInnen seien demnach ausreichend, um einen Beschuldigten<br />
zum Tod durch Verbrennen zu verurteilen. Der Wechsel von der deutschen<br />
in <strong>die</strong> Gelehrtensprache lässt sich nur zum Teil damit erklären, dass der Autor sich<br />
auf Benedict Carpzovs <strong>die</strong>sbezügliche Ausführungen in der Practica nova beruft. 37<br />
Carpzov wurde von Blumblacher schon zuvor zitiert, ohne dass er seine<br />
Argumentation deshalb in Latein geschrieben hätte. Der Sprachenwechsel verdeutlicht<br />
meiner Ansicht nach <strong>die</strong> besondere Tabuisierung <strong>die</strong>ser – nach zeitgenössischer<br />
Auffassung – verwerflichsten Ausprägung der Sodomie.<br />
Zum zweiten Aspekt der versuchten, aber nicht vollständig ausgeführten Sodomie<br />
merkt Blumblacher lediglich an, dass in <strong>die</strong>sen Fällen eine mildere »poena<br />
extraordinaria« verhängt werden solle.<br />
Ein weiterer Kommentator der Carolina war der »oberösterreichische« (bezogen<br />
auf Tirol, Vorarlberg und <strong>die</strong> Vorlande) Regimentsrat und Kanzler in Innsbruck,<br />
Johann Christoph Frölich von Frölichsburg. Obwohl er einen mehrfach aufgelegten<br />
Kommentar verfasste, wurde auch er scheinbar nicht zu den großen europäischen<br />
Gelehrten gezählt. Seine Kurzbiographie findet sich in keinem Gelehrtenlexikon.<br />
38 In Böhmers Handbuch wird er – ohne genauere Lebensdaten – als in<br />
der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts von katholischen Rezipienten geschätzter<br />
Carolina-Kommentator angeführt (Böhmer 1816:67f). Die Allgemeine Deutsche<br />
Biographie erwähnt einen gleichnamigen adeligen Juristen aus Tirol, der 1753 an<br />
<strong>die</strong> Universität Freiburg im Breisgau berufen wurde, 1776 starb, insofern aber mit<br />
dem Carolina-Kommentator nicht ident sein kann, als er keine Druckwerke hinterließ<br />
(ADB 8/1878:136). Außerdem wurde <strong>die</strong> erste Ausgabe von Frölichs<br />
Handbuch bereits 1696 unter dem Titel Nemesis romano austriaco tyrolensis in<br />
Innsbruck veröffentlicht. Die späteren Auflagen, <strong>die</strong> unter dem Titel Commentarius<br />
in Kayser Carl des Fünfften und des Heil. Röm. Reichs Peinliche Hals=<br />
GerichtsOrdnung publiziert wurden, waren inhaltlich mit der Nemesis romano<br />
austriaco tyrolensis ident. 39 Erst auf der Homepage einer genealogischen Vereinigung,<br />
deren Hauptinteresse den adeligen Familien Tirols gilt, fand ich seine<br />
Lebensdaten: geboren am 3. Juli 1657 in Innsbruck, war er von 1724-1729 Kanzler<br />
von Tirol und starb dort am 9. Mai 1729. 40<br />
Frölichs Kommentar ist vor allem deshalb interessant, weil er nicht nur <strong>die</strong><br />
Carolina erläutert, sondern <strong>die</strong>se auch mit den Bestimmungen der Tiroler<br />
Landesordnung von 1573 und noch wichtiger der (wahrscheinlich subsidiär geltenden)<br />
Ferdinandea von 1656 vergleicht. Die Ausführungen zur Sodomie umfassen<br />
fünf Druckseiten und sind in sechs Abschnitte unterteilt (Frölich 1741:255-260).<br />
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