Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur
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mit der »landesfürstlichen Milde« in Konflikt. Dies zeigt sich nicht zuletzt in den<br />
»geheimen Anmerkungen« zur Theresiana, <strong>die</strong> ausschließlich an <strong>die</strong> Malefiz-<br />
Gerichtsbehörden adressiert waren.<br />
»Es ist eine allkündige Sache, wienach <strong>die</strong> angestammte Milde Unseres huldreichesten<br />
Hauses Oesterreich nicht gestatte, daß Straffen, woraus zu Nachtheil des ewigen<br />
Seelenheils Verzweiflung entstehen könnte (als da ist das lebendige Verbrennen, dann das<br />
Radbrechen von unten hinauf) schlechterdings sollten zum Vollzug gebracht werden«<br />
(Theresiana, Geheime Anmerkungen:2).<br />
Doch <strong>die</strong> als Familieneigenschaft charakterisierte »Milde« sollte <strong>die</strong> abschreckende<br />
Wirkung einer strengen Verurteilung nicht zerstören:<br />
»Gleichwie Wir bedenklich gefunden, von <strong>die</strong>ser Unser Landesfürstlichen Milde in dem<br />
Gesetz eine Anerwehnung zu machen, sondern zu Eindruck mehreren Abscheues in dem<br />
Text <strong>die</strong> Schärffe der Gesetzen beybehalten haben, damit durch Kundwerdung der<br />
Linderungsmitteln, bey der Verhängung der lebendigen Verbrennung, und des<br />
Radbrechens von untenhinauf abgezielt-allgemeine Schrecken nicht verminderet werde,<br />
so wollen Wir aus eben <strong>die</strong>ser Ursache, daß ein auf das lebendige Verbrennen, oder<br />
Radbrechen von untenhinauf von Rechtswegen ausfallendes Urtheil den Missethätern<br />
allemal der Ordnung nach angekündet, und publiciret, somit <strong>die</strong> erfolgende<br />
Straffmilderung denenselben niemalen kundgemachet werden solle« (Theresiana,<br />
Geheime Anmerkungen:2).<br />
Der Abschreckungsgedanke hat hier eindeutig Priorität, denn <strong>die</strong> dem Inquisiten<br />
zu früh bekannt gegebene Begnadigung würde den Effekt des »inszenierten<br />
Tötens« (Martschukat 2000) gefährden. Zwar solle den »reumütigen und bußfertigen<br />
Sündern [...] zu Vermeidung der Verzweiflung« eine Milderung der Strafe<br />
zugestanden, doch müsse ihnen <strong>die</strong>se Gnade bis zum Moment der Hinrichtung verheimlicht<br />
werden. Die Instruktionen, wie <strong>die</strong> Strafe im Falle einer Verbrennung zu<br />
»mildern« sei, ähneln – gewiss kein Zufall – den bereits angeführten Hofresolutionen<br />
Leopolds I. und Karls VI.:<br />
»Unsere höchste Gnade, <strong>die</strong> Wir in <strong>die</strong>sen beyden Straffarten den reumüthigen Sündern<br />
ertheilen, bestehet überhaupt in dem, damit zu Verhütung der Verzweiflung ihnen der Tod<br />
schleunig beförderet werde. Diese Todesbeförderung in Ansehen des lebendigen Feuers<br />
hat mittelst Anbindung eines Pulversacks auf das Herz, und vorläuffiger Erdroßlung des<br />
armen Sünders zu beschehen, und ist von Obergerichtswegen das nachgesetzte<br />
Halsgericht, und durch <strong>die</strong>ses auch der gebrauchende Scharffrichter, oder Freymann<br />
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