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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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etreffend handle es sich um das »überschwäre Verbrechen« des einfachen<br />

Ehebruchs mit einer Christin und »das Crimen einer so gestalteten selbst befleckung,<br />

oder der Unzucht mit sich selbst«, <strong>die</strong> Isaak Löbl bewusst durch »sein<br />

Jüdisches läugnen« abstreite, weil er wisse, dass <strong>die</strong> Folter abgeschafft ist. Die<br />

Diskussion, <strong>die</strong> Magdalena Gallin mit dem Wirt Johann Michael Wolfseher über<br />

das »caressiren, und heyrathen zwischen einer Christin, und einem Juden« führte,<br />

sei ein weiteres Indiz, das eine strenge Bestrafung rechtfertige; ebenso der<br />

Umstand, dass »[...] Magdalena Gallin zufollge ihrer selbst eigenen Bekanntnuss<br />

[...] gar wohl gewust habe, d[as]s ihr Hebraeischer Complex verehelichet, auch<br />

sein Weib annoch im leben seye«. Als Urteil schlugen <strong>die</strong> Gutachter vor: »der Jud<br />

Löbl Isaac sowohl, als seine dilcinea Magdalena Gaillin« sollten neun Monate<br />

Zwangsarbeit leisten, während ihrer Haft- und Arbeitsstrafe insgesamt viermal mit<br />

je 20 Schlägen ausgepeitscht und nach Ablauf der Strafzeit in ihren Heimatort<br />

abgeschoben werden. Magdalena Gallin sollte ihre Strafe im Landgericht Freistadt<br />

abbüßen, Isaak Löbl im Linzer Zucht- und Arbeitshaus.<br />

Vermutlich vom Landgericht gebeten, veränderte der Referent des Gutachterkollegiums<br />

Dr. Gruber noch am 10. Februar den Urteilsvorschlag. Man habe zwar<br />

wegen der Gefahr eines Rückfalls erachtet, dass der »Jud Lebl Isack in dem allhiesigen<br />

Zuchthaus, seine Herzens Gebietherin aber <strong>die</strong> Magdalena Gaillin bey dem<br />

Löbl[ich]en Landgerichte der Herrschaft Freystadt [...] angehalten werden sollten«,<br />

wegen Platzmangels im Haus des Gerichts<strong>die</strong>ners könne aber »weder <strong>die</strong> Gaillin,<br />

noch ihr hebräischer Ritter [dort] untergebracht werden«. Deshalb sollten beide ins<br />

Linzer Zucht- und Arbeitshaus eingeliefert werden. Am 16. Februar berichtete der<br />

Jurist dem Landgerichtsverwalter über <strong>die</strong> bereits erfolgte Einlieferung der Inquisitin:<br />

»Die Löbl Isaackische Liebesgöttin ist mir [...] zur Versorgung eingelifert, und<br />

von mir in instanti nach ihren balast befördert worden«. Hinsichtlich der fünf Tage<br />

später, also am 21. Februar, zu erfolgenden Einlieferung von Isaak Löbl meinte er:<br />

»Der Jüdische Bok ist eben schon praeliminariter angesaget, und für ihn ein gehachter<br />

neuer Kordabatsch [Karbatsche] 77 bestellet: nur bitte ich recht sehr, daß <strong>die</strong>ser häberäische<br />

Ritter (denn ich ebenfalls der rauhen Witterung wegen zu Schlitten, denn zu<br />

Diligence [Postkutsche] möchte der k[aiserlich] k[önigliche] H[err] Postmeister <strong>die</strong> Nase<br />

rumpfen, anhero beförderen zu laßen ersuche) recht bey Zeiten, um disen stünkenden<br />

Bocksbart noch bey der Lichte ansichtig werden zu können, recht zeitlich zu expediren,<br />

allenfalls ihme samstag zuvor, weilen er ohnehin ad locum sententia nicht 50 Schritte zu<br />

gehen hat, d[a]s Urthl zu publiciren«.<br />

Die Verachtung und der kalte Zynismus, <strong>die</strong> aus <strong>die</strong>sen Zeilen sprechen, sind<br />

erstaunlich. Das Zuchthaus wird mit einem Palast gleichgesetzt, Magdalena Gallin<br />

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