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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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loß der Rechtfertigung für <strong>die</strong> unangekündigte Verhaftung eines Untertans, sondern<br />

war auch der Versuch des Pflegers, den Landgerichtsherrn von der<br />

Notwendigkeit einer harten Bestrafung Sigmund Träxls zu überzeugen. Dass der<br />

Verhaftete dann unter Folter eine Reihe von sexuellen Straftaten gestand, deren<br />

Spitze <strong>die</strong> vor Jahrzehnten angeblich begangenen sodomitischen Praktiken mit vier<br />

verschiedenen Kühen, einer Stute und einem Schaf bildeten, bot dem richterlichen<br />

Gremium vermutlich eine solide Grundlage für das Todesurteil, auch wenn das<br />

Corpus delicti fehlte. Der Prozess gegen Sigmund Träxl stand im Kontext eines<br />

Konfliktes. Die Anschuldigung der Sodomie machte das vorprogrammierte<br />

Todesurteil unumgänglich.<br />

3.5.2. Dörfliches Gerede und persönliche Konflikte<br />

Wie an den skizzierten Fallstu<strong>die</strong>n deutlich geworden sein sollte, bieten <strong>die</strong> strafrechtlichen<br />

Vorschriften kaum eine hinreichende Erklärung für <strong>die</strong> tatsächliche<br />

Verfolgung sexueller Devianz. Verbotene sexuelle Praktiken und Beziehungen,<br />

besonders jene, <strong>die</strong> von Religion und Strafrecht als »<strong>wider</strong>natürlich« bezeichnet<br />

wurden, spielten sich selten in der Öffentlichkeit ab. Sodomitische Praktiken fanden<br />

im Stall, im Stadel, im Haus oder auf der Weide statt, meist in Momenten, in<br />

denen sich <strong>die</strong> später als Sodomiten Beschuldigten von beobachtenden Blicken<br />

und lauschenden Ohren abgeschirmt glaubten. Zufällige Beobachtungen sodomitischer<br />

Praktiken oder mitgehörte Streitgespräche, in denen der Sodomievorwurf<br />

laut geworden war, mussten nicht unmittelbar vor Gericht getragen werden. Das<br />

lässt sich neben der bereits skizzierten Fallstu<strong>die</strong> zu Georg Dörffl auch gut am<br />

Beispiel von Georg Doppelhammer nachvollziehen. Der 48-jährige Bauer aus<br />

Unterwald in der Herrschaft Freistadt wurde Mitte Oktober 1718 verhaftet, weil in<br />

der Nachbarschaft das Gerücht kursierte, dass er vor Jahren von seiner zweiten<br />

Ehefrau Eva Doppelhammerin im Stall bei einer Kuh erwischt worden sei. 227 Der<br />

Anlass für <strong>die</strong> Wiederbelebung des dörflichen Geredes über <strong>die</strong> versuchte Sodomie<br />

des Bauern war <strong>die</strong> Verhaftung eines Dorfansässigen namens Peter Reintl, dem<br />

nachgesagt wurde, dass er mit seiner Tochter »Blutschande getrieben« habe. Nach<br />

Reintls Inhaftierung gab Thomas Amsberger, Gerichts<strong>die</strong>ner im unteren Freiwald,<br />

am 20. September 1718 im Schloss Freistadt zu Protokoll, »daß er noch einen gröber<br />

handl wisse als des Petter Reintl, nemblichen: der Georg Doppelhammer in<br />

Unternwalt solle s[alva] v[enia] mit einer Khue zu thuen gehabt haben«. Thomas<br />

Amsberger führte seine Erinnerungen aus: Vor etwa neun Jahren zur Zeit der<br />

Heuernte hätten mehrere Leute gehört, dass Eva Doppelhammerin »Ihren Mann<br />

starckh gegreinet, und schmächliche worth zuegerueffen, als ob sye in Khuestall<br />

bey einer Khue ain Schämerl gefunden, so Er vergessen hinweckh zu thuen, und<br />

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