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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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1970er Jahre Frauen als historische Subjekte sichtbar zu machen suchte, sollte<br />

auch in kritisch-emanzipatorischer Absicht eine Geschichte schwuler Männer<br />

geschrieben werden (Eder 2000:41-68; Eder 1999:138-172). Mittlerweile ist es<br />

wohl richtiger von »Geschichten« zu sprechen. Theoretische Impulse zur<br />

Differenzierung und Reflexion »homosexueller Identitäten« kamen vor allem von<br />

der Geschlechtergeschichte und von der Sexualitätsgeschichte. Die noch relativ<br />

junge »Männergeschichte« greift <strong>die</strong>se Impulse teilweise auf (Dinges 1998; Kühne<br />

1996; Michelsen 1996).<br />

Den Geschichten homosexueller Frauen wurde erst in den letzten Jahren mehr<br />

Aufmerksamkeit zu Teil (Steidele 2004 u. 2003; Puff 1999 u. 1998a; Murray 1996;<br />

Crawford/Mendelson 1995; van der Meer 1992, Faderman 1990; Dekker/van de<br />

Pol 1990; Brown 1986). Das mag an den vergleichsweise seltenen Überlieferungen<br />

von spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gerichtsprozessen wegen<br />

»weiblicher Sodomie« liegen, <strong>die</strong> sich ihrerseits auf <strong>die</strong> normative Konzeption der<br />

Sodomie zurückführen lassen. Der theologisch-juridische Diskurs des Mittelalters<br />

und der Frühen Neuzeit befasste sich nämlich – im Gegensatz zur allgemein intensiven<br />

Beschäftigung mit männlicher Sexualität – kaum mit sexuellen Praktiken<br />

zwischen Frauen. 5 Die geringe Aufmerksamkeit, <strong>die</strong> mittelalterliche Kleriker und<br />

Juristen gleichgeschlechtlichen sexuellen Handlungen zwischen Frauen schenkten,<br />

erklärt Jacqueline Murray mit einem »phallocentric understanding of human<br />

sexuality. [...] In the absence of either penis or a substitute, male writers minimized<br />

the seriousness of the sin« (Murray 1996:199). Maren Lorenz bestätigt<br />

Murrays Interpretation für <strong>die</strong> Frühe Neuzeit: »Sexuelle Kontakte zwischen Frauen<br />

ohne Penetration galten nicht als sodomitisches Verbrechen, sondern als ›liederliche‹<br />

und ungesunde, aber letztlich doch läßliche Sünde der Onanie« (Lorenz<br />

1999:200f). Sie erläutert in ihrer Analyse gerichtsmedizinischer Handbücher des<br />

17. und 18. Jahrhunderts, dass Sodomie unter Frauen zwar vorstellbar war, in den<br />

Handbüchern jedoch meist dem »Notzucht«-Kapitel und damit dem Bereich sexueller<br />

Gewalt zugeordnet wurde. Der heterosexuellen Matrix angepasst, so Maren<br />

Lorenz weiter, wurde »<strong>die</strong> Lesbe« im gerichtsmedizinischen Diskurs der Frühen<br />

Neuzeit als eine Frau in Männerkleidern gedacht, <strong>die</strong> mithilfe eines Dildos eine<br />

ahnungslose heterosexuelle Frau »schändet« (Lorenz 1999:200; vgl. Dekker/van<br />

de Pol 1990:67-91).<br />

1.1.2. Bestialität<br />

In den von Maren Lorenz untersuchten Fallsammlungen »taucht Sodomie mit<br />

Tieren fast nur auf, wenn der Geisteszustand des Beschuldigten in Frage gestellt<br />

wurde« (Lorenz 1999:189). Alle Beispiele, <strong>die</strong> in den Handbüchern ausgeführt<br />

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