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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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zuerst in beschreibenden Worten, dann wurde ihm Magdalena Gallins Aussage<br />

vorgelesen. Aus seiner entsetzten Reaktion lässt sich <strong>die</strong> Kenntnis von religiösen<br />

bzw. strafrechtlichen Normen ablesen: »Mein Lebtag nicht, das müst ja ein Vieh<br />

seyn, ich hab ja meinen Verstand, wer was solches thäte, das müst ja ein grosmächtige<br />

Sünd sein [...]«. Eine gewisse Reflexion der Situation vor Gericht, aber auch<br />

der Wunsch, dass seiner »Wahrheit« endlich geglaubt werde, drückt sich in den<br />

anschließenden Worten aus: »Was soll ich ihnen sagen, was soll ich viele<br />

Schreibereyen machen, wenn ich schon sag, ich will leben und sterben darauf, daß<br />

es wahr ist«. Als ihm das Gericht <strong>die</strong> direkte Gegenüberstellung mit Magdalena<br />

Gallin ankündigte, zog er einen prominenten biblischen Vergleich: »Ich sag Ihnen<br />

ja, ich geb mich wie ein Abraham und Isac, und laß mich schächen. Ich geb mich<br />

ja geduldig, ich sag ihnen ja leben und sterben will ich, wann ein Wort wahr ist<br />

[...]«. Magdalena Gallin berichtete im sechsten Verhör von einem weiteren Versuch<br />

ihres zeitweiligen Arbeitgebers, sich ihre Liebes<strong>die</strong>nste zu erkaufen. Als sie auf<br />

dem Weg von Leonfelden nahe Hirschbach eine Rast einlegten, habe er ihr geboten,<br />

was immer sie wolle, wenn sie mit ihm in den Graben hinabstiege. Wie zu<br />

erwarten, bestritt Isaak Löbl in dem am 13. Oktober durchgeführten siebten Verhör,<br />

welches sich hauptsächlich mit seiner familiären Situation beschäftigte, auch <strong>die</strong>se<br />

Szene. Seine Aussage, seit 1778 keinen festen Wohnsitz mehr zu haben, weil er<br />

durch seine Handelstätigkeit ohnehin selten zu Hause gewesen sei, ließ <strong>die</strong> Verhörenden<br />

mutmaßen, dass es dann um sein Eheleben schlecht bestellt sein müsse,<br />

was Isaak Löbl verneinte. Als er noch Pottaschenbrenner war, sei er keine zwei<br />

Tage von seiner Frau getrennt gewesen.<br />

Etwa zwei Wochen lang ruhte der Prozess, weil der Freistädter Landgerichtsverwalter<br />

auf Informationen von verschiedenen Gerichten wartete. Am 31. Oktober<br />

erreichte ein landeshauptmannschaftliches Dekret das Landgericht Freistadt, in<br />

dem dringend ein Bericht zum laufenden Prozess angefordert wurde. Unter dem<br />

Druck der Regierungsbehörde bemühte sich der Landgerichtsverwalter Kilian<br />

Thonmayr in den folgenden drei Wochen verstärkt, von den verschiedenen Gerichten<br />

alle notwendigen Informationen zu den Aussagen von Isaak Löbl und Magdalena<br />

Gallin zu bekommen, so dass am 21. November das siebente Examen mit<br />

Magdalena Gallin stattfinden konnte. Die Widersprüchlichkeit in den Aussagen<br />

von Isaak Löbl und Magdalena Gallin bewog das Gericht am 30. November, <strong>die</strong><br />

ohnehin schon mehrfach angedrohte gerichtliche Confrontation durchzuführen.<br />

Das Protokoll dazu liest sich noch stärker als <strong>die</strong> übrigen Verhörniederschriften<br />

wie ein Theaterstück, <strong>die</strong> Kommentare des Schreibers (im Original durch Unterstreichung<br />

gekennzeichnet, hier kursiv gesetzt) wirken wie Regieanweisungen.<br />

Aus den vorhergehenden Verhören wurden in chronologischer Reihenfolge jene<br />

Passagen gefiltert, <strong>die</strong> <strong>die</strong> verbotenen sexuellen Praktiken betreffen. Beispielhaft<br />

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