Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur
Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur
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Vermelden entdeckhet, darauf diser mit ihme Gottlieb <strong>wider</strong> angefangen, und Volgl[ich]<br />
ein zimbl[iche] Zeit sich in der Beicht aufgehalten, und da Er kaum ein wenig gesund<br />
worden, hat solcher gleich den <strong>die</strong>nst verlassen, und ist in Scheibspach kommen; daß also<br />
deponentin glaube der Geistl[iche] müesse ihm <strong>die</strong> gelegenheit zu sündigen mit ihrer<br />
tochter, wie sye layder vermeint, damahlen verbotten, und aus den <strong>die</strong>nst zu gehen auferlegt<br />
haben«. 185<br />
Maria Lidlin mutmaßte, dass der Beichtvater dem Knecht zugeredet haben dürfte,<br />
den Hof zu verlassen. Eine nähere Begründung für den Verdacht, dass Gottlieb<br />
Weinegger sich an ihrer Tochter vergangen hatte, findet sich in ihrer Aussage nicht.<br />
Sybilla Pölzlin, mit welcher Gottlieb Weinegger als lediger Knecht eine Beziehung<br />
hatte, sagte über ihren ehemaligen Liebhaber aus, dass er »Sye zu zeiten<br />
Nächtl[icher] Weil besuechet, zu ihr in d[a]s beth gelegt, und öftermahlen sich<br />
fleischl[ich] vermischet, doch niemahlen den Sammen in sye gelassen, sondern allzeit<br />
an sich gezogen, <strong>die</strong> ursach dessen aber, hete Er ihr nicht gesagt«. 186 Ihre eineinhalbjährige<br />
Beziehung hätten sie beendet, bevor er <strong>die</strong> verwitwete Susanna<br />
Paumanin heiratete. Sybilla Pölzlin war von den Verhörenden offenbar gezielt nach<br />
den sexuellen Praktiken gefragt worden, hatte doch Gottlieb Weinegger sowohl im<br />
summarischen als auch im artikulierten Verhör angegeben, dass er vor 10 Jahren in<br />
Scheibbsbach mit ihr »villmahl fleischl[ich] gesündiget, aber niemahlen seinen<br />
sammen in ihr gelassen, sondern zuruckh gezogen, und heraust verschittet« habe. 187<br />
Nach der Ursache für den gewohnheitsmäßig praktizierten Coitus interruptus<br />
gefragt, gab Gottlieb Weinegger an, dass er Sybilla nicht schwängern wollte, da er<br />
befürchtete zur Strafe als Soldat eingezogen zu werden. 188 Den Coitus interruptus<br />
praktizierte er, wie Gottlieb Weinegger im summarischen Verhör gestand, auch<br />
dann, wenn er mit Schweinen, Schafen und Kühen »zu tun« hatte: »iedoch bey<br />
all=disen vollbrachten schendl[ichen] Lastern niemalen in das S[alva] V[enia]<br />
Viech seinen Sammen eingelassen und Vermischet, sondern allzeit auf <strong>die</strong> Erden<br />
oder dessen Hemet verschittet [...]«. 189 Auf <strong>die</strong> gerichtliche Nachfrage im artikulierten<br />
Verhör, ob er dabei nie »ein Wollust gehabt, und warum Er den samen nicht in<br />
d[a]s Viech gelassen« habe, antwortete er: »Freylich hete Er einen Wollust gehabt,<br />
das Er aber den sammen nicht hienein gelassen, waer ursach: damit christenbluet<br />
nicht mit Viech vermischet werde«. 190 In seiner eigenen, religiös gefärbten Logik<br />
war Gottlieb Weinegger <strong>die</strong> Sündhaftigkeit seiner sexuellen Handlungen zwar<br />
bewusst, doch meinte er <strong>die</strong> Schwere <strong>die</strong>ser Sünden dadurch reduzieren zu können,<br />
dass er seine Geliebte nicht schwängerte und keine »vollständige Vermischung«<br />
zwischen Mensch und Tier zuließ, sondern stattdessen den im religiösen Sinne<br />
ebenfalls als »<strong>wider</strong>natürlich« bewerteten Coitus interruptus praktizierte. Das vorgebliche<br />
Zurückschrecken vor der »Einlassung des Samens« in ein – nach der<br />
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