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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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Die Fallbeispiele der protestantischen Herrschaft Wartenburg und der rekatholisierten<br />

Herrschaft Spital am Pyhrn ergaben, dass es bei der strafrechtlichen Verfolgung<br />

der Sodomie im Erzherzogtum Österreich keinen Unterschied machte, ob der<br />

Landgerichtsherr katholisch oder protestantisch war. Zudem lässt sich an <strong>die</strong>sen<br />

Beispielen rekonstruieren, wie Sodomieprozesse im späten 16. und im 17. Jahrhundert<br />

verliefen. Im Unterschied zu den Prozessen des späten 17. und des 18.<br />

Jahrhunderts rekurrierten sie in prozessrechtlichen Fragen eher auf lokale Traditionen,<br />

festgehalten in den sogenannten Weistümern. Geleitet wurden <strong>die</strong> landgerichtlichen<br />

Untersuchungen vom Landgerichtsverwalter. Dieser hatte <strong>die</strong> Ergebnisse<br />

seinem Landgerichtsherrn und, sofern letzterer nicht selbst über <strong>die</strong> Malefizgerichtsbarkeit<br />

verfügte, dem Bannrichter zu kommunizieren. Zum Rechtstag war<br />

ein Schöffengremium zu berufen, das neben dem Landgerichtsverwalter und zwei<br />

Beisitzern aus mindestens sieben »verständigen«, also in Rechtsangelegenheiten<br />

erfahrenen Männern bestand (LGO 1559: fol.23v-24r). Formal betrachtet sollte der<br />

Bannrichter dem Schöffengremium lediglich vorsitzen und im öffentlichen Teil des<br />

Verfahrens das Urteil verlesen. In der Praxis hatte der juristisch gebildete Bannrichter,<br />

wie sich in den Briefwechseln zwischen Bannrichter und Landgerichtsverwalter<br />

zeigte, <strong>die</strong> entscheidende Stimme. Seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts<br />

wurde sein Einfluss durch einen institutionalisierten Instanzenzug<br />

(Prüfung der Akten durch <strong>die</strong> Linzer Landeshauptmannschaft bzw. Niederösterreichische<br />

Regierung) und der verpflichtenden Beiziehung von Rechtsgutachtern<br />

bei besonders schweren Delikten zurückgedrängt. Das Urteil wurde formal gesehen<br />

von einem »unparteiischen Geding« gefällt, das in der Regel den Empfehlungen<br />

der Rechtsgutachter folgte. Das Urteil konnte schließlich noch von der<br />

übergeordneten Regierungsbehörde geändert werden.<br />

Die gerichtliche Vorgangsweise im 16. und im Verlauf des 17. Jahrhunderts<br />

unterschied sich auch dadurch von jener des späten 17. und des 18. Jahrhundert,<br />

dass bei schwerwiegenden Anschuldigungen viel häufiger zum Mittel der Tortur<br />

gegriffen wurde. In allen Wartenburger und Spitaler Sodomieprozessen des 16. und<br />

17. Jahrhunderts wurden <strong>die</strong> Inquisiten gefoltert.<br />

Die Auslösungsmomente von Sodomieprozessen sind vielfältig. Isaak Löbl und<br />

Magdalena Gallin wurden 1779 ursprünglich wegen Vagabun<strong>die</strong>rens festgenommen.<br />

Wolf Haager war 1599 höchstwahrscheinlich wegen des Handels mit gestohlenen<br />

Pferden arretiert worden. Abraham Pichler musste sich 1604 ursprünglich<br />

wegen eines Selbstmordversuches gerichtlich verantworten. Georg Wegleuthner<br />

war 1612 auf frischer sodomitischer Tat mit einem Schwein erwischt worden.<br />

Daniel Weissenstainer wurde 1639 denunziert, weil ihn jemand bei der »<strong>Unkeusch</strong>heit«<br />

mit einer Kuh beobachtet hatte. Das Gerede, dass ihn seine Kusine<br />

Katharina Wenigwögerin bei sodomitischen Handlungen mit einer Kuh erwischt<br />

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