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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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»Es hat sein Weib vorhero wegen seiner 2 Kinder von vorigen Weib in <strong>die</strong> 3 Wochen<br />

nacheinander gegreinet, und wie sye in Stall gangen, und daß Stiellerl bey der Khue gesehen,<br />

habe sye ihme grob ausgemachet, es ist aber nit also wie sie vermaint hat, Er seye<br />

Sommerzeit in der Fruhe in den Stall gangen, habe <strong>die</strong> Ochsen gefuedert, und auf <strong>die</strong><br />

Wayd treiben wollen, als er nun das Stiellerl bey denen Ochsen liegen gesehen, so sonst<br />

auf <strong>die</strong> Ladtwendt gehört, und von dohrt auf <strong>die</strong> Ochsen heruntergefallen, habe er solchs<br />

zu der Khue hinüber geworffen, und als sein Weib darzu in Stall khommen, hat sye ihne<br />

angeredt, waß er thuen wolle, daß er den Stuell hinüber zu der Khue gesezet, und ihme<br />

bezichtiget, als ob er mit der Khue was begehrn wolle, auch gesagt, was hast du mit der<br />

Khue zu weiß, und ihme ausgemacht, welches Greinen <strong>die</strong> Leuthe gehört, und anjezo darvon<br />

reden, ihme aber groß Unrecht thetten«. 233<br />

In Georg Doppelhammers Version des Vorfalls im Stall war seine Frau wegen<br />

eines vorhergehenden Streits wütend auf ihn. Daher habe sie einen falschen<br />

Eindruck davon bekommen, dass er den Melkschemel, der von der Trennwand auf<br />

<strong>die</strong> Ochsenseite des Stalls gefallen sei, zur Kuh hinübergeworfen hatte. Eva<br />

Doppelhammerin <strong>wider</strong>sprach zwar der von ihrem Mann vorgebrachten Erklärung,<br />

dass der Melkschemel bei den Ochsen gelegen sei und er ihn lediglich zur Kuh<br />

hinübergeworfen habe, doch bestätigte sie, dass nichts geschehen sei, wohl aber<br />

<strong>die</strong> Nachbarn den Streit mitgehört hätten: »Sye seye gahr zu zohrnig gewesen, wie<br />

sye gesehen, das ihr Mann was solches thuen wolle, derentwegen sye ihm grob<br />

ausgegreinet, so <strong>die</strong> leuth gehört haben, iedoch hat er noch nichts verschuldet, und<br />

ist auch noch nichts geschehen«. 234<br />

Der Stall des Ehepaares war, wie auch eine amtliche Inventarliste 235 bestätigt, ein<br />

gemischter. Neben zwei Ochsen waren darin auch zwei Kühe und drei Kälber<br />

untergebracht. Trotz der gemeinsamen Unterbringung der Tiere waren <strong>die</strong> Arbeitsbereiche<br />

getrennt. Der sozialen Geschlechterordnung entsprechend kümmerte sich<br />

Georg Doppelhammer um <strong>die</strong> Ochsen, während Eva Doppelhammerin <strong>die</strong> Kühe<br />

versorgte und melkte. Eine zu große räumliche Nähe des Bauern zu den Kühen<br />

bedeutete <strong>die</strong> Überschreitung einer symbolischen Grenze, eine Transgression der<br />

Geschlechterräume, wie sie Jonas Lillequist in seiner Analyse frühneuzeitlicher<br />

Sodomieprozesse in Schweden konstatiert hatte. Auch wenn seine These vom<br />

weiblich konnotierten Raum des Kuhstalls, den kein erwachsener Mann betreten<br />

könne, ohne dabei argwöhnische Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen (Lillequist<br />

1992:85), wegen des gemischten Stalls im Fall von Georg Doppelhammer nicht<br />

völlig zutrifft, so kann dennoch von einer erhöhten Sensibilität ausgegangen werden.<br />

Als Eva Doppelhammerin den Melkschemel hinter der Kuh sah, bereinigte sie<br />

<strong>die</strong> Angelegenheit auf ihre Art. Sie ermahnte ihren Mann und schickte ihn zum<br />

»Kürchfahrten« und Beichten in den nahe gelegenen Wallfahrtsort Heiligenstein.<br />

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