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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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Justiz, <strong>die</strong> gefangenen Templer sollten unter Zuhilfenahme der neu etablierten<br />

Inquisition und der vom geistlichen Tribunal angeordneten »außergewöhnlichen<br />

Prozedur« (Folter) über das »Unaussprechliche« zum Reden gebracht werden,<br />

doch wurde nach außen hin darüber geschwiegen. Das Schweigen, in welches <strong>die</strong><br />

Angeklagten <strong>die</strong> ihnen vorgeworfenen sodomitischen Handlungen zu hüllen versuchten,<br />

glich paradoxerweise dem Schweigen der Mächtigen (Chiffoleau 1990:<br />

294). Unter der Annahme, dass <strong>die</strong> vorgeworfene Sodomie nicht bloße Fiktion war,<br />

näherte sich das Verschweigen-Wollen der Inquisiten äußerlich dem Schweigen<br />

der Herrschenden an. Aufs engste mit Häresie, Blasphemie und Majestätsbeleidigung<br />

verbunden, so Chiffoleaus These, trat nefandum, verstanden als gleichgeschlechtliche<br />

Sodomie zwischen Glaubensabtrünnigen, in den großen politischen<br />

Prozessen des frühen 14. Jahrhunderts verstärkt als Topos auf; Sodomiten wie<br />

Häretiker seien als fremde, orientalische Männer konzipiert worden. Das bedeutete,<br />

dass es bei <strong>die</strong>sen Prozessen immer implizit um <strong>die</strong> Integrität des theologischpolitischen<br />

Raums der Christenheit in Abgrenzung zu den »Ungläubigen« ging<br />

(Chiffoleau 1990:298f).<br />

Zwar kann Jacques Chiffoleaus These nicht einfach auf den österreichischen<br />

Raum in der Frühen Neuzeit übertragen werden, doch hallt <strong>die</strong> kulturelle Verkettung<br />

des »falschen« Glaubens mit sexueller Devianz noch im 18. Jahrhundert nach.<br />

So wird im Zedler’schen Universallexikon unter den Schlagworten »Sodomie,<br />

Sodomiterey« unter anderem <strong>die</strong> Überlegung angestellt, ob »<strong>die</strong>jenigen schweren<br />

fleischlichen Vermischungen, so sich zwischen Christen und Ungläubigen, als<br />

Türken, Juden, u.s.w« 277 zutrügen, denn auch als Sodomie zu bewerten seien. Das<br />

Lexikon verneint <strong>die</strong>s nur zögerlich: »Es ist aber sicherer, daß, ob solche allerdings<br />

zwar keine geringe Verbrechen sind, selbige dennoch an und vor sich selbst keine<br />

wahre Sodomiterey sind, noch auch davor gestrafft werden können«. 278<br />

Das Problem der Verbalisierung des Tabuisierten zeigte sich Ende des 18. Jahrhunderts<br />

erneut im Zuge der Onaniedebatte. Die an eine breite Öffentlichkeit<br />

gerichteten Schriften aufklärerischer Pädagogen und Mediziner mussten der moralischen<br />

Selbstlegitimation wegen auf <strong>die</strong> explizite Benennung des Verwerflichen<br />

(weil Krankhaften und Gesundheitsschädigenden) verzichten. Die Autoren sahen<br />

sich gezwungen, von der Schädlichkeit der Onanie zu berichten, ohne <strong>die</strong> Praxis<br />

der Masturbation tatsächlich zu beschreiben. Die pädagogische Versprachlichung<br />

erfolgte daher mithilfe von Metaphern und Analogien oder beruhte einfach auf<br />

Auslassungen (Eder 2002:119-123). Der diskursiven Explosion der Thematik war<br />

<strong>die</strong>se Verhüllungstaktik keineswegs abträglich.<br />

In den von mir untersuchten Sodomieprozessen wurden <strong>die</strong> verbotenen sexuellen<br />

Praktiken mit Tieren (oder Menschen) nicht nur mit theologischem und juristischem,<br />

sondern auch mit alltagssprachlichem Vokabular beschrieben. Für <strong>die</strong><br />

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