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Selbständig integriert? - Institut für Mittelstandsforschung ...

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mehr noch als einheimische Frauen auf Hürden im Umgang mit Behörden, Banken, Geschäftspartnern oder<br />

Kunden stoßen, was ihren Marktauftritt zusätzlich erschwert. Doch soweit dies gelingt – so sieht es ein dritter<br />

Argumentationsstrang – würden sie entweder häufig in den Schatten ihrer Männer bzw. in den Bereich familienwirtschaftlicher<br />

Aktivitäten gedrängt oder andernfalls mit Unvereinbarkeitsproblemen und sozialen Kosten<br />

konfrontiert. 5<br />

2. Ganz andere Perspektiven zeichnen demgegenüber Befunde, denen zufolge die von Migrantinnen im<br />

Gesellschafts- und Arbeitsleben erfahrenen Ungleichheiten zu verstärkten Versuchen führen, sich durch den<br />

Aufbau einer eigenen wirtschaftlichen Existenz aus etwaigen Abhängigkeitsverhältnissen zu befreien. 6 In der<br />

optimistischeren Sicht würde der Mangel an Erwerbserfahrung durch die gegenüber männlichen Migranten relativ<br />

bessere Ausstattung mit formalen Bildungsressourcen kompensiert. Nicht zuletzt lässt sich Migrantinnen<br />

der jüngeren Generation eine durchschnittlich stärkere Bildungsorientierung als ihren männlichen Pendants attestieren.<br />

7 In diesem Zusammenhang wird häufig auch vermutet, dass sich Migrantinnen in vergleichsweise geringerem<br />

Maße auf die weniger aussichtsreichen ethnischen Nischen konzentrieren und in der <strong>Selbständig</strong>keit<br />

eher „eigene“ bzw. migrantenuntypische Wege gehen. 8 Ein zentraler Antrieb <strong>für</strong> die Entscheidung von Frauen<br />

auf eigene Rechnung zu arbeiten dürfte insbesondere aus einer unterprivilegierten Arbeitsmarktposition resultieren.<br />

Zumindest wird ein Teil von Migrantenselbständigkeit – sowohl von Frauen als auch von Männern – mit<br />

der Flucht aus der Arbeitslosigkeit und insofern weniger mit kulturell induzierten Motiven in Zusammenhang<br />

gebracht. 9 Aber auch eine „Ökonomie der Not“ ändert kaum etwas an der Einschätzung, dass <strong>Selbständig</strong>keit<br />

unter Umständen auch zu besserem Einkommen, höherem Ansehen und (zumindest struktureller) Integration<br />

führen kann. 10<br />

3. All diese Argumente, sei es in Bezug auf Ressourcen, Märkte oder Benachteiligungen und Push- und<br />

Pullfaktoren, spiegeln auch insgesamt die seit langem international geführte Debatte um die Entstehung<br />

„ethnischer Ökonomien“ wider. 11 Während sich der Großteil dieser Arbeiten auf die Frage konzentriert, ob die<br />

Triebkräfte der Entwicklung von Migrantenselbständigkeit eher angebots- oder nachfrageseitige Ursachen 12<br />

haben, wurde die Reihe an institutionellen Einflussfaktoren nahezu vernachlässigt. 13 Dies mag auch daran liegen,<br />

dass sowohl die rechtlichen Rahmenbedingungen des Zugangs zur <strong>Selbständig</strong>keit als auch die darauf orientierten<br />

Förder- und Beratungseinrichtungen im internationalen Raum eine teils geringere Rolle als hierzulande<br />

spielen. In Deutschland insgesamt, und in Nordrhein-Westfalen im Besonderen, hat sich seit geraumer Zeit<br />

eine starke und regional differenzierte Beratungsinfrastruktur (in jüngerer Zeit in Gestalt der STARTERCENTER<br />

NRW) etabliert. Dies bedeutet aber auch, dass eine Beurteilung der Chancen und Hemmnisse von Migrantinnen<br />

bei der Unternehmensgründung mit daran zu messen sind, inwieweit die Angebote der Förderinstitutionen<br />

akzeptiert und angenommen werden. Eine an den Bedürfnissen der Migrantinnen orientierte Gestaltung von<br />

Beratungsangeboten ist der Dreh- und Angelpunkt der meisten anwendungsorientierten Forschungsprojekte,<br />

wobei neuere Ansätze vor allem eine Abkehr von der Orientierung an der „Norm vom Normalunternehmer“ und<br />

statt dessen ein Diversity-Konzept verlangen. 14<br />

4. In gesamtgesellschaftlicher Sicht interessieren jedoch nicht nur die Chancen und Hemmnisse von Migrantinnen<br />

bei der Gründung eines Unternehmens. Seit langem rücken in der Zuwanderungs- und Integrationsdebatte die<br />

betrieblichen Leistungen dieser Unternehmen in den Mittelpunkt. Eine <strong>für</strong> das Bundeswirtschaftsministerium<br />

durchgeführte Untersuchung des ifm Mannheim 15 kommt zu dem Ergebnis, dass die von Migrantinnen und<br />

Migranten geführten Betriebe in gesamtwirtschaftlicher Sicht ein enormes Leistungspotenzial, insbesondere<br />

bei der Schaffung von Arbeitsplätzen, besitzen. Auch der Integrationsbericht der Landesregierung von<br />

Nordrhein-Westfalen betont, dass Zuwandererselbständigkeit „erheblich zur Dynamik der deutschen und nordrhein-westfälischen<br />

Volkswirtschaft“ beiträgt. 16 In welchem Umfang hieran Frauen mit Migrationshintergrund<br />

beteiligt sind, war bislang vollkommen ungeklärt. Die Bedeutung der unternehmerischen Leistungen von<br />

5 Apitzsch/ Kontos 2003; Hettlage 2005; Kontos 2008.<br />

6 Einige anschauliche Beispiele auch in: „Erfolgreich arbeiten mit zwei Kulturen. Zuwanderinnen und ihre Unternehmen“<br />

(MGFFI 2007) sowie in Kapitel 6.<br />

7 Boos-Nünning/ Karakasoglu 2006.<br />

8 Hillmann 1998; Pearce 2005; Hayen/ Unterberg 2008.<br />

9 Loeffelholz et al. 1994; Constant 2004; Leicht/ Leiß 2006.<br />

10 Goldberg/ Sen 1997; Leicht et al. 2005.<br />

11 Vgl. vor allem Portes 1995; Waldinger et al. 1990; Light 2004.<br />

12 In der Reihe angebotsseitiger Faktoren wurde weniger auf Bildungsressourcen als vielmehr auf soziokulturelle Eigenheiten abgehoben.<br />

Mit nachfrageseitigen Faktoren wird v.a. die Bedeutung ethnischer Märkte betont.<br />

13 Zur Kritik siehe auch Kloosterman/ Rath 2001<br />

14 Bührmann et al. 2008; Jasper et al. 2008.<br />

15 Leicht et al. 2005.<br />

16 MGFFI 2008, S. 135.

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