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Selbständig integriert? - Institut für Mittelstandsforschung ...

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schen Zusammensetzung) wandelnden Migrantenstruktur. In dieser Lage wurde – so ein häufig verwendetes<br />

Motto – mancher „Gastarbeiter zum Unternehmer“. Die meisten Studien befassten sich schwerpunktmäßig<br />

mit dem Gründungsgeschehen in der türkischen Community. Italiener und Griechen erzielten zwar höhere<br />

<strong>Selbständig</strong>enquoten als die Türken, aber in der Literatur dennoch geringe Aufmerksamkeit. 66 Der Fokus auf<br />

die bevölkerungsmäßig stark wachsenden türkischstämmigen Migranten erschien verständlich und zunächst<br />

auch berechtigt, da sich diese Gruppe in vielerlei Hinsicht (soziale Struktur, wohnräumliche Konzentration,<br />

Religion usw.) von anderen unterschied. Doch die Prominenz einer solchen Blickrichtung blieb möglicherweise<br />

nicht ganz ohne Folgen <strong>für</strong> die Einschätzung der Entstehungsbedingungen der Migrantenökonomie in<br />

Nordrhein-Westfalen und Deutschland insgesamt. 67 Denn im Gegensatz zur Situation in den angloamerikanischen<br />

Metropolen war die wachsende Zahl an kleinen Unternehmen u.E. weniger ein Produkt von Enklaven<br />

und von co-ethnischen Beziehungen. Diesen Verdacht mag man aber gewinnen, wenn man sich zu sehr auf das<br />

Beispiel der türkischen Ökonomie und ihren „break out“ zu einem offenen Markt konzentriert (der hier nicht<br />

bestritten wird). 68 Doch die nicht erst heute, sondern eigentlich schon immer stärker auf deutsche Kundschaft<br />

orientierten italienischen, griechischen und jugoslawischen Gastwirte und Händler boten sich hier<strong>für</strong> kaum<br />

als Referenzen an. Hier ergibt sich eher ein anderes Problem. Da sich die Angehörigen dieser Gruppen stärker<br />

als die türkische Community in einer durch Einzelhandel und Gastronomie geprägten ökonomischen Nische<br />

bewegen, sind sie auch gleichzeitig einem starken Konkurrenzdruck unterworfen, was kleine Existenzgründer<br />

dauerhaft gefährdet. 69<br />

Doch mittlerweile stellt sich eine ganz andere Frage: Welche Geschäfte betreiben eigentlich diejenigen, die nicht<br />

zu den ehemaligen Gastarbeitern und deren Nachfahren zählen? Wendet man den Blick auf das Geschehen in<br />

jüngerer Zeit, ist zu konstatieren, dass sich mit der wachsenden Zuwanderung aus Osteuropa und den Staaten<br />

der ehemaligen Sowjetunion die Triebkräfte und Strukturen von Migrantenselbständigkeit stark verändert<br />

haben.<br />

Bisherige Erkenntnisse zur Entwicklung und Bedeutung einzelner Gruppen<br />

Ohne auf die im Folgenden dargestellten Analysen näher einzugehen, lässt sich zusammenfassend bereits<br />

aus der bisherigen Befundlage festhalten, dass die höchste Zahl an jährlichen Neugründungen in Deutschland<br />

und Nordrhein-Westfalen mittlerweile auf die Zuwanderer/innen aus Polen entfällt. Zwar ist ein Teil dieser<br />

Gewerbeanmeldungen voraussichtlich auf Scheinselbständigkeit und „Wanderarbeit“ zurückzuführen, 70 aber<br />

allein schon die Tatsache, dass ihr Gründungsaufkommen derzeit doppelt so hoch wie das der Türk(inn)en ist,<br />

zeugt von enormen Strukturveränderungen gegenüber dem Geschehen in früheren Jahren. Allerdings geht die<br />

Gründungsneigung – wie bei nahezu allen Ausländergruppen – mit gleichzeitig hohen Betriebsschließungen<br />

bzw. Fluktuationen und auch Auswanderung einher. 71 Der <strong>Selbständig</strong>enbestand weist denn auch ein teils anderes<br />

Bild auf: Deutschlandweit liegen hier die türkischstämmigen <strong>Selbständig</strong>en mit einer Zahl von 79.000<br />

weiterhin an der Spitze, gefolgt von denen polnischer und italienischer Herkunft mit 50.000 bzw. 48.000. 72<br />

Allerdings ist hinzuzufügen, dass vor dem Hintergrund der Wanderungsströme insgesamt auch der Anteil<br />

der türkischstämmigen an allen <strong>Selbständig</strong>en in den letzten 10 Jahren auf nunmehr 13% zurückgegangen<br />

ist. 73 Absolut betrachtet ist die Zahl türkischstämmiger <strong>Selbständig</strong>er, wie auch die in vielen anderen<br />

Herkunftsgruppen, dennoch enorm gestiegen. Sie hat sich seit Anfang der 90er Jahre verdoppelt. Unter den<br />

wichtigsten Migrantengruppen liegt der prozentuale Zuwachs an <strong>Selbständig</strong>en fast durchweg über dem von<br />

<strong>Selbständig</strong>en deutscher Herkunft. Einen (auch <strong>für</strong> Migranten) überdurchschnittlichen prozentualen Zuwachs<br />

weisen die Gründer/innen aus einigen asiatischen Ländern und vor allem die aus Osteuropa bzw. Polen auf.<br />

Da hier<strong>für</strong> jedoch auch immer die Zuwanderung und auch die Entwicklung der ansässigen Bevölkerungsgruppen<br />

mit verantwortlich ist, muss die Gründungsneigung und -fähigkeit anhand der <strong>Selbständig</strong>enquote beurteilt<br />

werden. Sieht man von einigen kleineren Herkunftsgruppen ab, wird diesbezüglich die Rangliste schon seit<br />

langem durch die Griechen angeführt, wobei zudem die Italiener inzwischen von den Polen überholt wurden.<br />

66 Neben den bereits genannten auch Pütz 2000 und 2003; Fischer 2001; Constant et al. 2003. Ausnahmen diesbezüglich blieben<br />

(bis zu dieser Zeit) die Untersuchungen von Loeffelholz et al. 1994 und Özcan/ Seifert 2000.<br />

67 Dies zeigt sich zumindest durch die Resonanz in der internationalen Literatur, die vorwiegend anhand des Beispiels der Türken die<br />

Kernelemente ethnischer Ökonomien auch in Deutschland identifiziert. Vgl. z.B. Waldinger et al. 1990; Kloosterman/ Rath 2001;<br />

Light 2004.<br />

68 Pütz 2000.<br />

69 Leicht et al. 2005 und 2006; Fertala 2006.<br />

70 John 2007; Novicka 2007; Werner 2009 sowie Kapitel 5.4.<br />

71 Leicht et al. 2005 und 2006; Fertala 2006; John 2007.<br />

72 Leicht/ Langhauser 2009 sowie Kapitel 5.3.<br />

73 Dies gilt <strong>für</strong> Ausländer wie auch auf Eingebürgerte. 1997 betrug der Anteil 16% und ein Jahr davor 17%.

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