Selbständig integriert? - Institut für Mittelstandsforschung ...
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Mit Blick auf den zweiten Analyseschritt und hierbei auf das Modell <strong>für</strong> Personen türkischer Herkunft (Tab. 5.1)<br />
wird ersichtlich, dass die vormals positiven Effekte der Einbürgerung der Kontrolle weiterer selbständigkeitsrelevanter<br />
Variablen, vor allem unter Berücksichtigung von Alter und Bildung, nicht „standhalten“, d.h., sich<br />
nicht mehr auf signifikanten Niveau bewegen. 241 In den <strong>für</strong> die italienischstämmigen Männer (Tab. 15.2) und vor<br />
allem <strong>für</strong> die osteuropäischen Frauen und Männer (Tab. 15.3a+b) erstellten Regressionen bleibt der Einfluss<br />
des Faktors „deutsch oder nicht“ jedoch weitestgehend stabil. D.h., auch unter Kontrolle weiterer potenzieller<br />
Faktoren zeigt sich, dass sich in diesen Gruppen mit höherer Wahrscheinlichkeit diejenigen selbständig<br />
machen, welche die Staatsangehörigkeit ihres Herkunftslandes beibehalten bzw. sich nicht einbürgern lassen<br />
haben.<br />
Es ist anzunehmen, dass <strong>für</strong> deren höhere Gründungsneigung andere bzw. nicht im Modell überprüfbare<br />
Mechanismen verantwortlich sind. Dazu dürften zum einen die Arbeitsmarkteffekte zählen, da die aus Polen<br />
und Russland stammenden Ausländer/innen in weit höherem Maße als die Eingebürgerten erwerbslos sind<br />
(vgl. Kapitel 4.2). Von noch größerer Bedeutung sind allerdings die Charakteristika der Neuzuwanderung aus<br />
Polen und teils auch aus der russischen Förderation. Für Nordrhein-Westfalen kann dies zwar aufgrund mangelnder<br />
Fallzahlen im Mikrozensus nicht nachvollzogen werden, aber in Westdeutschland insgesamt weisen die<br />
seit 2000 neu Zugewanderten aus Polen (ohne deutschen Pass) außerordentlich hohe <strong>Selbständig</strong>enquoten<br />
auf. D.h.,, auch wenn sich die immensen Gründungsaktivitäten der „zwischen den Grenzen wandelnden“<br />
Polinnen und Polen (Kapitel 5.1.2) nicht sämtlich in einem dauerhaften <strong>Selbständig</strong>enbestand niederschlagen,<br />
lassen sich dennoch einige mit den Daten identifizieren. Bei allem ist darüber hinaus daran zu erinnern: Dass<br />
in einigen Gruppen die Ausländer – entgegen manchen Erwartungen – eine teilweise stärkere unternehmerische<br />
Neigung zeigen als die Eingebürgerten, ist nicht allein bei den Migrant(inn)en osteuropäischer Herkunft,<br />
sondern auch bei manchen Angehörigen von EU-Ländern, insbesondere aus den ehemaligen Anwerbestaaten,<br />
zu beobachten.<br />
15.2 einfluss von individuellen ressourcen: Bildung und Wissen<br />
Bildung und Humankapital ist von zentraler Bedeutung <strong>für</strong> die Neigung und Fähigkeit zur Gründung sowie<br />
den Erfolg eines Unternehmens. So sehr dies inzwischen zum Kern aller gründungspolitischen Überlegungen<br />
zählt, so unsicher ist dabei doch, ob und inwieweit diese Formel auch auf das unternehmerische Verhalten<br />
von Migrantinnen und Migranten übertragen werden kann. Denn das sich diesbezüglich bietende Bild wird<br />
von zwei scheinbar widersprüchlichen Erscheinungen geprägt: Einerseits wird die Entwicklung beruflicher<br />
<strong>Selbständig</strong>keit insgesamt in Deutschland seit langem durch die überproportional starken Gründungsaktivitäten<br />
von Migrantinnen und Migranten – und dabei vor allem von Ausländer/innen – getragen. Andererseits ist seit<br />
der bildungspolitischen Debatte um die Chancen von Zugewanderten und ihren Nachfahren bekannt, dass die<br />
hier<strong>für</strong> erforderlichen Qualifikationen vielfach noch immer fehlen. Daher stellt sich die Frage, ob das unternehmerische<br />
Engagement von Migrant(inn)en weniger als bei den Autochthonen durch Erfahrung, Bildung und<br />
Wissen, sondern ggf. durch andere Faktoren angetrieben wird.<br />
Die Regressionsschätzungen belegen allerdings, dass Arbeitserfahrung, Bildung und berufliche Qualifikationen<br />
(zwar weniger im Aggregat, aber auf individueller Ebene) auch <strong>für</strong> Migrantinnen und Migranten von entscheidender<br />
Bedeutung <strong>für</strong> ihre Gründungsneigungen und -fähigkeiten sind. Dies ist an mehreren Indikatoren festzumachen:<br />
Das Alter von Erwerbstätigen wird im allgemeinen als Näherungswert <strong>für</strong> das im Arbeitsleben akquirierte<br />
Erfahrungswissen verwendet. Die Modelle <strong>für</strong> die Beschäftigten türkischer Herkunft (Tab. 15.1) zeigen zumindest<br />
mit Blick auf Frauen, dass ein höheres Alter positiven Einfluss nimmt. Von größerer Relevanz ist allerdings<br />
die formale Bildung. Jeweils im Vergleich zu erwerbstätigen türkischstämmigen Frauen ohne Berufsabschluss<br />
machen sich solche mit mindestens einem Hauptschul- und Lehrabschluss mit 2,5fach und die mit einem<br />
Hochschulabschluss mit 3,7fach höherer Wahrscheinlichkeit selbständig. Bei Frauen türkischer Herkunft<br />
ist der Bildungseffekt sogar um einiges stärker als bei den Männern. Soweit sich türkischstämmige Frauen<br />
241 Der „konternde“ Effekt von Alter und Bildung lässt sich durch schrittweise Einführung in die Modelle oder aber durch die Interaktions-<br />
effekte (nicht abgebildet) erkennen.<br />
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