Selbständig integriert? - Institut für Mittelstandsforschung ...
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Ohne Kontrolle weiterer Variablen zeigt eine Einbürgerung einen größtenteils hochsignifikanten Einfluss:<br />
Zumindest bei den Migrant(inn)en türkischer und osteuropäischer Herkunft und in geringerer Weise auch bei<br />
italienischstämmigen Männern. Allerdings mit jeweils entgegengesetzten effekten. Denn die eingebürgerten<br />
türkischstämmigen Frauen und Männer sind mit 1,8 bzw. 1,6fach höherer Wahrscheinlichkeit selbständig als<br />
diejenigen ihrer Gruppe ohne deutschen Pass. Demgegenüber verhält sich dies unter den Männern italienischer<br />
Herkunft, aber vor allem unter den Frauen und Männern aus Osteuropa gerade umgekehrt: Besitzt eine<br />
Osteuropäerin die deutsche Staatsangehörigkeit ist sie nur halb so häufig selbständig als diejenigen mit einem<br />
ausländischen Pass (Tab. 15.3a).<br />
Ähnliches gilt <strong>für</strong> die Männer dieser Gruppe. So besteht natürlich der Verdacht, dass hier<strong>für</strong> ein Aussiedlereffekt<br />
verantwortlich ist, da sich die aus Polen und Russland zugewanderten (Spät-)Aussiedler weit weniger stark unternehmerisch<br />
betätigen (vgl. Kapitel 5.3). 238<br />
Da deren staatsbürgerliche Position jedoch i.d.R. allein schon durch die Zuwanderung und nicht durch<br />
eine bewusste Entscheidung <strong>für</strong> die Einbürgerung zu erklären ist, wären die Einbürgerungseffekte unter<br />
den Türkischstämmigen nicht mit denen unter Osteuropäer(inne)n zu vergleichen. Daher wurden in einem<br />
Zusatzmodell (Tab. 15.3b) ansatzweise all diejenigen herausgerechnet, von denen aufgrund bestimmter<br />
Informationen anzunehmen ist, dass es sich um Aussiedler handelt. 239 Die Modellergebnisse verändern sich hierdurch<br />
allerdings nicht. Oder anders formuliert: Migrantinnen und Migranten aus den osteuropäischen Ländern,<br />
die ihren Status als Ausländer beibehalten (müssen), betätigen sich mit weit höherer Wahrscheinlichkeit selbständig<br />
als diejenigen, die einen deutschen Pass erwarben.<br />
Doch wie sind diese Ergebnisse zu interpretieren? Sind die Deutschen türkischer Herkunft tatsächlich stärker<br />
unternehmerisch orientiert und damit ggf. auch risikobereiter als diejenigen mit türkischer Staatsangehörigkeit?<br />
Und weshalb sollte dies bei den Osteuropäer/innen und bei den italienischstämmigen Männern in umgekehrter<br />
Weise gelten?<br />
Nach unseren bisherigen Befunden in Kapitel 7.1 muss zumindest die These verworfen werden, dass sich<br />
Personen aus Drittstaaten wie der Türkei vor allem deswegen einbürgern lassen, um hierdurch formale bürokratische<br />
Hürden im Gründungsprozess zu umgehen. Dies erscheint zumindest mit Blick auf einen großen Teil<br />
der Türkinnen und Türken wenig plausibel, da hier der Einbürgerungs- und Gründungszeitpunkt weit auseinander<br />
liegt.<br />
Ohnehin dürfen in Beantwortung dieser Fragen nicht allein die „Bruttoeffekte“ des Einbürgerungs- bzw.<br />
Ausländerstatus betrachtet werden. Aus bisherigen Untersuchungen ist bekannt, 240 dass Migrant(inn)en mit<br />
einer Einbürgerungsabsicht ein durchschnittlich jüngeres Lebensalter sowie ein höheres Bildungsniveau als die<br />
Referenzgruppe aufweisen. Gleichzeitig haben sich Alter und Bildung in der Gründungsforschung als wichtige<br />
Einflussfaktoren erwiesen. Allerdings mit unterschiedlichem Effekt: Denn während Bildung und <strong>Selbständig</strong>keit<br />
den gleichen positiven Richtungszusammenhang wie in der Frage der Einbürgerung besitzen, senkt ein junges<br />
Lebensalter die Gründungsfähigkeit.<br />
Zu prüfen ist daher, ob der (je nach Herkunftsgruppe) festgestellte positive oder negative „Einbürgerungseffekt“<br />
nicht letztlich ein Ergebnis einer jeweils unterschiedlichen Alters- oder Bildungsstruktur ist. Hierzu müssen<br />
zusätzliche Einflüsse auf die <strong>Selbständig</strong>keit (statistisch) kontrolliert werden, um die Nettoeffekte der staatsbürgerlichen<br />
Position zu bemessen.<br />
238 Vgl. auch Leicht et al. 2005 in Bezug auf Russlanddeutsche.<br />
239 Da im Mikrozensus 2005 der Aussiedlerstatus noch nicht erfasst wurde, handelt es sich um eine Hilfskonstruktion auf Basis<br />
von Informationen zum Zuwanderungs- und Einbürgerungszeitpunkt sowie zu dem Geburtsort und vorheriger Nationalität<br />
(ähnlich Birkner 2007 sowie LDS 2008).<br />
240 Unter anderem: Salentin/ Wilkening 2003; Seifert 2007; Integrationsbericht NRW 2008.