Selbständig integriert? - Institut für Mittelstandsforschung ...
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78<br />
Lenkt man daher die Aufmerksamkeit auf die Erste Generation, d.h., auf die selbst Zugewanderten, dann interessiert<br />
natürlich auch, wie lange sich diese hier in Deutschland und dabei ggf. in Nordrhein-Westfalen aufhalten.<br />
Bei der Gruppierung nach dem Zuwanderungszeitpunkt wurde u.a. die Phase vor und nach 1973 bzw.<br />
1993 gewählt, um insbesondere das Migrationsmuster der beiden aus den ehemaligen Anwerbeländern sowie<br />
aus Osteuropa stammenden Gruppen miteinander vergleichen zu können. Die erste Abgrenzung ergibt<br />
sich aus dem Zeitpunkt des Anwerbestopps im Jahr 1973, wonach dann viel eher der Familiennachzug eine<br />
Rolle spielte. Für die Osteuropäer/innen gilt ein anderes Kriterium: Die Zahl der aus Polen kommenden (Spät-)<br />
Aussiedler/innen hatte bereits 1990 ihren Höhepunkt erreicht, während die der sog. „Russlanddeutschen“<br />
noch bis in die Mitte der 90er Jahre zugenommen hat. Doch ab 1993 musste jede/r einzelne Antragsteller/in<br />
ein Kriegsfolgenschicksal nachweisen, wodurch die Zuwanderung von Spätaussiedler/innen erschwert bzw.<br />
begrenzt wurde. 14<br />
Aus vorherigen Studien ist bekannt, dass selbständige Migrant(inn)en auf eine (auch im Vergleich zu<br />
Arbeitnehmer/innen) lange Aufenthaltszeit in Deutschland zurückblicken. 15 Nicht zuletzt, weil die Gründung<br />
eines Unternehmens die Akkumulation entsprechender Ressourcen erfordert (vgl. Kapitel 8). Zumindest bei<br />
den Männern macht sich bemerkbar, dass viele der Zuwanderer aus den ehemaligen Anwerbeländern noch vor<br />
dem Anwerbestopp 1973 nach Deutschland kamen. Unterschiedlich wird die Frage bewertet, inwieweit die Zahl<br />
der „Gastarbeiterinnen“ erst im Verlauf der Familiennachzugsphase angestiegen ist. 16 Daher interessiert hier<br />
natürlich, welche Implikationen dies <strong>für</strong> die Struktur der <strong>Selbständig</strong>en hat:<br />
Soweit die <strong>Selbständig</strong>en eine eigene Migrationserfahrung 17 besitzen, sind sie, mit Ausnahme derer aus<br />
Russland, zum überwiegenden Teil vor 1993 zugewandert. Hier zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen<br />
den Herkunftsgruppen (Abb. 7.1.6): Entgegen manchen Erwartungen kam weit mehr als ein Drittel der türkisch-<br />
und italienischstämmigen selbständigen Frauen (36% bzw. 40%) bereits vor der Familiennachzugsphase nach<br />
Deutschland. Nach wie langer Zeit sie dann ihr Unternehmen gründeten, ist allerdings eine andere Frage (siehe<br />
Kapitel 8). Doch mehrheitlich wanderten sie, wie auch ihre männlichen Pendants, zwischen Mitte der 70er und<br />
Anfang der 90er Jahre nach Deutschland ein. Dies ist auch gleichzeitig der Zuwanderungszeitraum <strong>für</strong> drei<br />
Viertel der aus Polen kommenden Frauen. Ganz anders sieht es bei den <strong>Selbständig</strong>en russischer Herkunft aus.<br />
Weit über die Hälfte ist erst nach 1993 zugewandert, was <strong>für</strong> Frauen und Männer gleichermaßen zutrifft. D.h.,<br />
die aus Russland emigrierten und heute selbständigen Frauen und Männer unterscheiden sich allein schon in<br />
Bezug auf ihre Aufenthaltszeit in Deutschland erheblich von denen in den anderen Herkunftsgruppen.<br />
Abb. 7.1.6: Zuwanderungszeitpunkt von <strong>Selbständig</strong>en der ersten Generation in Nordrhein-Westfalen<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
36<br />
54<br />
türkisch<br />
7<br />
40<br />
47<br />
12<br />
2 2<br />
italienisch<br />
1<br />
77<br />
polnisch<br />
17<br />
4<br />
3<br />
russisch<br />
Verteilung in Prozent<br />
38<br />
58<br />
2<br />
25<br />
türkisch<br />
54 54<br />
16<br />
6<br />
36<br />
italienisch<br />
Frauen Männer<br />
8<br />
2<br />
4<br />
84<br />
polnisch<br />
vor 1973 1973-1992 1993-2000 nach 2000<br />
Quelle: Primärerhebung „<strong>Selbständig</strong>e Migrantinnen Nordrhein-Westfalen“; ifm Universität Mannheim<br />
14 Kriegsfolgenbereinigungsgesetz (KfbG).<br />
15 Leicht et al. 2004; Leicht et al. 2006. Für die Türkischstämmigen in NRW vgl. ZfT 2007.<br />
16 Karakasoglu 2002; Erdem 2004. Westphal (2006) weist darauf hin, dass auch schon damals viele Frauen <strong>für</strong> bestimmte Branchen<br />
angeworben wurden.<br />
17 Das Statistische Bundesamt verwendet <strong>für</strong> die Zugewanderten der ersten Generation den Begriff „mit eigener Migrationserfahrung“.<br />
6<br />
6<br />
0<br />
39<br />
russisch<br />
57<br />
3