Selbständig integriert? - Institut für Mittelstandsforschung ...
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212<br />
Daher erreicht der Median bei den italienischen einen höheren Wert als bei den russischen Männern. Die durchschnittliche<br />
Mitarbeiterzahl der türkischen Unternehmer liegt (je nach Basis) zwischen 3,9 und 5 Beschäftigten. 264<br />
Erwartungsgemäß haben die deutschen Unternehmer mit durchschnittlich 8,5 Beschäftigten 265 die größten<br />
Betriebe, was unter anderem natürlich auch auf die Vererbungsmöglichkeiten bzw. die Familiennachfolge zurückzuführen<br />
ist.<br />
16.3 Bedeutung co-ethnischer Beschäftigung<br />
Die Beschäftigung von Familienmitgliedern und von Angehörigen gleicher ethnischer Herkunft ist ein zentrales<br />
Charakteristikum der „ethnischen Ökonomie“, zumal der Begriff schon per Definition nicht nur auf<br />
<strong>Selbständig</strong>e sondern auch auf das durch Familienarbeit und co-ethnische Beschäftigung geprägte Umfeld verweist.<br />
266 Inwieweit es sich beim Rückgriff auf Landsleute um Formen der innerethnischen Solidarität und normativer<br />
Verpflichtung oder um rein ökonomische Motive handelt und inwieweit co-ethnische Beschäftigung die<br />
Betriebsentwicklung langfristig fördert oder eher behindert, ist teilweise unklar. Einerseits eröffnen Netzwerke<br />
und Beziehungen Chancen, aus dem Kreis von Landsleuten und Familienmitgliedern einen Pool an kostengünstigen<br />
Arbeitskräften zu rekrutieren, der ggf. auch einen flexiblen Personaleinsatz erlaubt. 267 Immerhin suchen<br />
Neuzuwanderer mangels Kontakten und Sprachkenntnissen zunächst eine Beschäftigung bei „Ihresgleichen“,<br />
weshalb das Arbeitskräfteangebot meist günstig ist. Der Ressourcenmobilisierungshypothese von Brüderl<br />
und Preisendörfer (1998) zufolge, greifen <strong>Selbständig</strong>e, denen es an adäquaten Finanz- und Humankapital<br />
mangelt vermehrt auf die Hilfe aus dem Familienumfeld zurück. Andererseits können aus traditionsgebundenen<br />
Verpflichtungen genauso wirtschaftliche Nachteile erwachsen, etwa dann, wenn Familienmitglieder<br />
und Angehörige der eigenen Ethnie nicht aufgrund ihrer fachlichen Eignung sondern aus Solidarität in den<br />
Beschäftigtenstamm aufgenommen werden bzw. werden müssen. Nach Granovetter (1995) erweisen sich<br />
Netzwerke daher nur dann als erfolgreich, wenn sie ungerechtfertigte Besitzansprüche und ein „Zuviel“ an<br />
ethnischer Solidarität auch abwehren können.<br />
Ethnische Ökonomien bilden allerdings ohnehin nur einen Spezialfall von Migrantenselbständigkeit. Zunächst<br />
wäre davon auszugehen, dass co-ethnische Beschäftigung nur innerhalb jener Herkunftsgruppen von<br />
Bedeutung ist, die über eine ausreichend große Population in Deutschland und damit auch über ein adäquates<br />
Reservoir an potenziellen Arbeitskräften verfügen. Andererseits können sich solche Potenziale auch unter<br />
Ethnien mit geringer Größe entwickeln, wenn sie sich auf bestimmte Quartiere konzentrieren.<br />
Co-ethnische Beschäftigungsstrukturen werden bislang vor allem mit Blick auf große Gruppen, d.h., vor allem<br />
bei Türken offenbar. Nach Sauer (2004) sind zwei Drittel der Arbeitsplätze in den türkischen Unternehmen in<br />
Nordrhein-Westfalen durch türkische Mitarbeiter besetzt. Nach einer älteren Studie von Hillmann und Rudolph<br />
(1997) beschäftigen türkische Kleinstbetriebe in Berlin „fast ausschließlich Türken“ und vier Fünftel davon<br />
setzen sich aus mithelfenden Familienangehörigen zusammen. Abgesehen von der Höhe des Anteils stellt sich<br />
die Frage, ob dies nur ein Phänomen türkischer Unternehmen ist. Zumindest in einer bundesweiten Studie des<br />
ifm stellen Leicht et al. (2005a+b) einen hohen Beschäftigtenbesatz an Landsleuten nicht nur bei kleinen türkischen<br />
sondern auch bei griechischen und italienischen Betrieben fest. Generell ist aber davon auszugehen,<br />
dass die Anteilswerte co-ethnischer Beschäftigung mit der Größe der Betriebe merklich abnehmen, da auch<br />
der Anteil an Familienangehörigen sinkt.<br />
264 Nach Berechnungen des ZfT haben türkische Unternehmen (ohne Geschlechterdifferenzierung) durchschnittlich 5,4 Mitarbeiter<br />
(Sauer 2004, S. 36). In einer ZfT-Studie von 2007 wird von durchschnittlich 5,0 Mitarbeiter ausgegangen (ZfT 2007, S. 13.)<br />
265 Dieser Durchschnittwert <strong>für</strong> die im Sample enthaltenen Einzelunternehmen ist zwar nicht auf die Gesamtwirtschaft unter Einschluss<br />
der großen Kapitalgesellschaften übertragbar. Aber nimmt man zum Vergleich die Unternehmens- und Beschäftigtenzahlen im<br />
Unternehmensregister von NRW, dann beträgt die durchschnittliche Beschäftigtenzahl im KMU-Bereich knapp 8 Beschäftigte (Radmacher-Nottelmann<br />
2008). Vor diesem Hintergrund erscheint die Güte unserer auf KMU fixierten Stichprobe durchaus akzeptabel.<br />
266 Smelser/ Swedberg 1994.<br />
267 Aldrich und Waldinger (1990, S. 130) zufolge „manipulieren“ ethnische Unternehmer sogar die Ausdauer und Loyalität der Familie und<br />
von Personen gleicher Herkunft, aber sie laden sich damit auch Verpflichtungen auf (siehe im Folgenden). Butter et al. (2007) sehen<br />
zudem in der Reduzierung von Informationskosten sowie in der gruppeninternen Vertrauensbildung wichtige Vorteile. Sie geben aber<br />
auch zu bedenken, dass co-ethnische Be-schäftigung längerfristig in die „ethnische Falle“ führen kann, da der Anreiz zur Weiter-<br />
qualifizierung gering sei.