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Selbständig integriert? - Institut für Mittelstandsforschung ...

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In der Gesamtschau treten bei Migrantinnen vor allem die persönlichen Faktoren hervor, die eine Belastung<br />

im Gründungsprozess darstellen: Dies betrifft zumindest türkisch-, russisch- und italienischstämmige<br />

Gründerinnen. Mit Blick auf die psychischen und physischen Belastungen im persönlichen Umfeld, etwa im<br />

Bemühen um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, dürfte dies verständlich sein. Hinzu mag aber auch kommen,<br />

dass Frauen unter Umständen eher als die Männer gewisse Defizite eingestehen. Zumindest lassen die<br />

Ergebnisse der Hannoveraner Gründerinnenstudie den Schluss zu, „dass selbständige Migrantinnen grundsätzlich<br />

eine sensiblere Problemwahrnehmung als Migranten aufweisen“, 202 wobei – folgt man den Erkenntnissen<br />

der in Berlin bzw. im Ruhrgebiet durchgeführten Befragung 203 – Frauen auch den Gründungserfolg schwerpunktmäßig<br />

auf an ihre Person gebundene Faktoren zurückführen. 204<br />

Insgesamt zeigt sich jedenfalls in unserer Untersuchung, dass die weiblichen Migrantinnen weniger als die<br />

männlichen Migranten von institutionellen bzw. strukturellen Hindernissen betroffen sind, aber dennoch<br />

mehr als die Deutschen. Eine Ausnahme bilden hierbei noch die Italienerinnen, die in etwa auf gleich hohem<br />

Niveau wie die Männer türkischer oder polnischer Herkunft über Hindernisse struktureller Art klagen, aber<br />

trotzdem in weit geringerem Umfang als ihre männlichen italienischen Pendants. Im Vergleich zu den anderen<br />

Migrantinnengruppen schneiden – vor allem in Bezug auf die persönliche Komponente – Polinnen recht gut ab,<br />

was im Übrigen auch bei den polnischen Männern zu beobachten ist.<br />

13. Vereinbarkeit von Familie und beruflicher <strong>Selbständig</strong>keit<br />

Nahezu jegliche Forschung im Feld der „ethnischen Ökonomie“ berührt oder streift zumindest das Thema<br />

„Familie“, weil diese gemeinhin als zentrale Ressource – und unter Umständen sogar als Triebfeder – der unternehmerischen<br />

Aktivitäten von Migrant(inn)en gesehen wird. Der Rückgriff auf die Familie als eine (im wahrsten<br />

Sinne des Wortes) lebendige Quelle zur Rekrutierung von Beschäftigten, von Kapital oder zum Aufbau von<br />

Beziehungsnetzwerken, ist ein Charakteristikum von Migrantenselbständigkeit schlechthin. 205 Allerdings sollte<br />

nicht vergessen werden, dass Familienunternehmen nicht nur in der ethnischen Gemeinschaft, sondern auch<br />

in der Mehrheitsgesellschaft eine an Solidarität und Verpflichtungen orientierte soziale Funktion besitzen. Folgt<br />

man der Literatur ist die Besonderheit der familienwirtschaftlich organisierten Migrantenökonomie daher wohl<br />

viel eher darin zu sehen, dass sie es mehr als andere versteht, die Arbeitskraft der Familienmitglieder zu unternehmerisch<br />

vorteilhaften Bedingungen einzusetzen. Dies meint zumeist die Frau und die Kinder, weshalb in<br />

vielen Fällen ein patriarchalischer Wesenszug sicher nicht zu verleugnen ist: 206 Doch seit Frauenselbständigkeit,<br />

wenngleich zögerlich, auch in der Welt der ethnischen Ökonomie und in der Forschung angekommen ist, stellen<br />

sich neue Fragen: Wie anderswo lässt sich auch hier erkennen, dass die Beziehung zwischen Familie und<br />

Unternehmen nicht nur Vorteile sondern auch Konflikte birgt. Die Frage der Vereinbarkeit von privater und beruflicher<br />

Sphäre, d.h., auch das Spannungsfeld zwischen Familien- und unternehmerischer Verantwortung, hat<br />

längst auch die Lebenswelt von Migranten- bzw. Migrantinnenselbständigkeit erreicht.<br />

Andererseits jedoch wird deutlich, dass die Beziehung zwischen Familie und Unternehmen keine Einbahnstraße<br />

ist, das heißt die Familie nicht nur den unternehmerischen Aktivitäten dienen muss, sondern – umgekehrt –<br />

eine selbständige Erwerbsarbeit auch dem Familienleben (nicht nur in ökonomischer sondern auch in sozialer<br />

Sicht) entgegenkommen kann. Dieser Gedanke ist ohnehin eine neue Perspektive: Denn spätestens seit<br />

Schumpeter wird in der klassischen Entrepreneurship-Theorie der Gründer – eher selten auch die Gründerin<br />

– als Person beschrieben, die risikobereit neue Ideen umsetzt und hierzu Marktlücken aufspürt oder diese<br />

selbst kreiert. Doch dies scheint in neuerer Zeit nicht mehr der einzige und auch nicht mehr der dominierende<br />

Typus zu sein. Die Flexibilisierung von Unternehmen und Beschäftigung, Outsourcing, Computertechnologie<br />

sowie Heim- und Telearbeit haben zu neuen Chancen und Formen selbständiger Erwerbsarbeit geführt, die<br />

sich in mancherlei Hinsicht vom klassischen Bild des Entrepreneurs unterscheidet. Unter Umständen sind<br />

viele Gründer/innen auch gar nicht primär an neuen Märkten und Profit interessiert, sondern schätzen die<br />

Vorzüge einer selbständigen Erwerbstätigkeit in ganz anderer Hinsicht. Dies hängt damit zusammen, dass be-<br />

202 Hayen/ Unterberg 2008, S. 64. Auch mit Blick auf das „Fehlen an kaufmännischen Kenntnissen“ bemerken die Autoren, dass Frauen<br />

evtl. eher bereit sind, sich etwaige Probleme und Schwierigkeiten einzugestehen (ebenda S. 66). Allerdings wird in der Hannoveraner<br />

Studie nicht nach einzelnen Herkunftsgruppen differenziert, weshalb ein Vergleich mit unseren Ergebnissen nicht möglich war.<br />

203 Vgl. den Hinweis in Kapitel 1.2 sowie Bührmann et al. 2007.<br />

204 Jasper et al. 2008.<br />

205 Z.B. Aldrich/ Waldinger 1990; Light/ Rosenstein 1995; Portes 1995; Flap et al. 2000; Struder 2001.<br />

206 Struder 2001 und Hiebert 2003 konstatieren, dass in „ethnischen Familienunternehmen“ eher die Männer die Gewinner, Frauen und<br />

Kinder hingegen die Verlierer sind. Vgl. auch Hillmann 1999; Light 2004.

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