Selbständig integriert? - Institut für Mittelstandsforschung ...
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220<br />
Sieht man von einer Geschlechterdifferenzierung ab und betrachtet die Partizipation insgesamt, dann zeigt<br />
sich viel eher ein (vielleicht) bekanntes Bild: Die Ausbildungsbetriebsquote von türkischen und italienischen<br />
Unternehmen liegt demnach bei 17% bzw. 18%. Es dürfte nicht verwundern, dass diese Quoten nahe derjenigen<br />
der jeweiligen Männerbetriebe liegen, da in beiden Herkunftsgruppen weibliche Unternehmerinnen<br />
deutlich unterrepräsentiert sind. Dadurch wird die gruppenspezifische Gesamtquote wesentlich durch das<br />
Ausbildungsverhalten der Männer bestimmt. Ähnlich ist dies auch bei den Deutschen. Zusammengenommen<br />
ergibt sich in unserem sample bei Deutschen eine Ausbildungsbetriebsquote von rund 28%, die fast genau der<br />
herkunftsübergreifenden Quote in der amtlichen Statistik entspricht (siehe oben). 286 Demgegenüber bilden die<br />
von Osteuropäer/innen geleiteten Unternehmen zu einem deutlich höheren Anteil aus. Zumindest bei den polnischen<br />
Unternehmer/innen erklärt sich die hohe Quote aber auch aus dem ansonsten geringen Anteil arbeitgebender<br />
Betriebe. 287 Warum jedoch die osteuropäischen bzw. vor allem russischstämmigen <strong>Selbständig</strong>en<br />
eine hohe Ausbildungsbetriebsquote aufweisen, wird nachfolgend näher beleuchtet.<br />
Brancheneffekte in der Ausbildungsbeteiligung<br />
Was sind die Gründe <strong>für</strong> das teils außerordentliche Ausbildungsengagement der von Migrantinnen geführten<br />
Unternehmen, d.h., insbesondere der Frauen türkischer und russischer Herkunft? Und welche Faktoren sind<br />
generell ausschlaggebend? Hier bieten sich mehrere Einflussfaktoren an, denen im Folgenden nachgespürt<br />
wird.<br />
Eine naheliegende Erklärung ist natürlich im Zusammenhang mit der Branchenzugehörigkeit zu sehen. Mit<br />
anderen Worten: Inwiefern handelt es sich bei den beobachteten Quoten weniger um eine ethnien- und geschlechtsspezifische<br />
Besonderheit, sondern schlicht um einen Brancheneffekt? Ein solcher würde vorliegen,<br />
wenn einzelne überdurchschnittlich ausbildende Gruppen verstärkt in Branchen vorzufinden sind, die ohnehin<br />
(d.h., gruppenübergreifend) eine hohe Ausbildungsbeteiligung aufweisen.<br />
In Kapitel 7.2 wurde aufgezeigt, dass selbständige Migrantinnen im Vergleich zu den einheimischen Frauen<br />
– aber auch im Vergleich zu den Männern ihrer Ethnie – überdurchschnittlich häufig in den personen- bzw.<br />
haushaltsbezogenen einfacheren Routinedienstleistungen tätig sind. Hingegen sind die deutschen selbständigen<br />
Frauen (zumindest im Vergleich zu denen türkischer oder italienischer Herkunft) stärker in den wissensintensiven<br />
Dienstleistungen präsent. Die russisch- und polnischstämmigen Frauen orientieren sich zudem<br />
relativ stark auf das Gesundheitswesen, sind aber trotzdem zusätzlich überproportional häufig in den einfacheren<br />
Diensten, wie bspw. der Körperpflege, zu finden. Hierin liegt auch ein Unterschied zu den Männern ihrer<br />
Gruppe.<br />
Diese Strukturen schlagen sich indirekt auch in der Ausbildungsbeteiligung der Gruppen nieder: Denn generell<br />
bzw. gruppenübergreifend zeigt die amtliche Statistik, dass das Ausbildungsengagement in einigen unternehmensorientierten<br />
und wissensintensiven Dienstleistungen schwächer ist als dasjenige in den haushaltsnahen<br />
einfachen Diensten. Bspw. ist die Ausbildungsbetriebsquote in der Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung<br />
oder in den technischen Beratungsdiensten nicht nur seit Ende der 90er Jahre rückläufig, 288 sondern auch niedrigerer<br />
289 als in den haushaltsnahen persönlichen Dienstleistungen (wie etwa Körperpflege, Reinigung etc.). 290<br />
Zwar ging die Quote auch im Gesundheitswesen etwas zurück, sie ist dort aber noch immer höher als in anderen<br />
wissensintensiven Diensten. Solche Branchendifferenzen in der Ausbildungsbereitschaft dürften – vor dem<br />
Hintergrund der unterschiedlichen Tätigkeitsschwerpunkte von Frauen und Männern sowie von Migrantinnen<br />
und Deutschen – natürlich Auswirkungen auf die Ausbildungsbeteiligung der jeweiligen Herkunftsgruppen haben.<br />
Dies führt zu der Frage, wie sich diese Verhältnisse in unseren eigenen Daten widerspiegeln bzw. welcher<br />
Zusammenhang zwischen der Branchenorientierung der Unternehmerinnen türkischer, russischer und polnischer<br />
Herkunft und ihrer vergleichsweise hohen Ausbildungsbereitschaft besteht.<br />
286 Da die Deutschen das Gros der Betriebe stellen, liegt deren Ausbildungsbetriebsquote nahe am Durchschnitt <strong>für</strong> die Ausbildungsbeteiligung<br />
insgesamt.<br />
287 Vgl. ABQ in Bezug auf alle Betriebe.<br />
288 Vgl. Berufsbildungsbericht 2009.<br />
289 Sie lag in Westdeutschland im Jahr 2007 bei Rechtsanwälten, Steuerberatern usw. nur bei 28% und bei Architekten oder auch der<br />
Erwachsenenbildung usw. jeweils nur bei 13% (Berufsbildungsbericht 2009, S. 359). Dies sind jedoch Bereiche, in denen die selbständigen<br />
deutschen Frauen überproportional vertreten sind.<br />
290 Hier, wo Migrantinnen häufig tätig sind, beträgt die ABQ 35%, im Gaststättengewerbe (ohne Hotels) allerdings nur 13%.