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Selbständig integriert? - Institut für Mittelstandsforschung ...

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Gründungsmotive lassen sich danach unterscheiden, ob die Akteure eher von positiven Anreizen oder<br />

von Zwängen geleitet werden. Demnach ist der Schritt in die berufliche <strong>Selbständig</strong>keit entweder als<br />

Selbstverwirklichung (pull) oder als Ökonomie der Not (push) zu deuten. Erstgenanntes meint, dass der<br />

Wunsch nach Autonomie, Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit überwiegt. 81 Im Gegensatz dazu impliziert<br />

die These von der Ökonomie der Not, dass die Gründe <strong>für</strong> die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit<br />

viel eher als Reaktion auf Arbeitslosigkeit oder auf eine Bedrohungen des Arbeitsplatzes zu sehen sind, wobei<br />

auch Unzufriedenheit mit der Situation am Arbeitsplatz oder mit der Entlohnung eine Rolle spielen. Nicht selten<br />

treten Push- und Pullfaktoren aber gemeinsam auf. Die Gründungsforschung ist sich darin einig, dass <strong>für</strong><br />

den Schritt in die <strong>Selbständig</strong>keit kaum ein einzelnes Motiv sondern immer eher ein Bündel an Beweggründen<br />

verantwortlich ist. 82<br />

Zwänge resultieren im Wesentlichen aus den Bedingungen und ggf. Benachteiligungen am Arbeitsmarkt.<br />

Migranten, und darunter vor allem die ohne deutschen Pass, sind überdurchschnittlich häufig arbeitslos. Dies<br />

gilt nicht nur, aber besonders <strong>für</strong> Nordrhein-Westfalen. 83 Dennoch ist strittig, in welchem Umfang Migranten<br />

durch erfahrene oder drohende Arbeitslosigkeit die Flucht in die <strong>Selbständig</strong>keit antreten. Fasst man die in<br />

verschiedenen Phasen und durch verschiedene Studien gefällten Urteile zusammen, ergibt sich selbst dann ein<br />

recht gegensätzliches Bild, wenn jeweils die gleiche Ethnie betrachtet wird. 84 Unstrittig ist dagegen, dass noch<br />

bis vor kurzem das Instrument der „Ich-AG“ und vergleichbarer BA-Maßnahmen die Zahl der Gründungen aus<br />

der Arbeitslosigkeit erhöhten. 85 Inwiefern Migranten eher in stärkerem oder geringerem Maße „unternehmerisch“<br />

auf Arbeitsmarktprobleme reagieren, ist zum einen eine Frage der Inanspruchnahme und Information<br />

über die Förderinstrumente und zum anderen auch von der Herkunft und vom Bildungsstand abhängig. Leicht<br />

und Leiß (2006) kommen anhand von multivariaten Mikrozensusanalysen zu dem Ergebnis, dass es diesbezüglich<br />

erhebliche Unterschiede zwischen den Nationalitäten gibt und zudem auch die Bessergebildeten mit höherer<br />

Wahrscheinlichkeit aus der Arbeitslosigkeit gründen, weil sie einen stärkeren Antrieb zur Verwertung ihrer<br />

Qualifikation besitzen. Aber dennoch fällt natürlich die Zahl der Notgründungen unter den Geringqualifizierten<br />

in absoluten Werten stärker ins Gewicht. Diese erfahren u.U. eine doppelte Benachteiligung, wenn sie nicht<br />

nur am Arbeitsmarkt, sondern auch in punkto Humankapital im Hintertreffen sind und daher die Flucht in die<br />

<strong>Selbständig</strong>keit in marginalen Positionen endet. Es liegt nahe, dass sich insbesondere gering Qualifizierte auf<br />

Branchen mit geringen Zutrittsbarrieren und Anforderungen, wie den Handel und das Gastgewerbe, orientieren,<br />

während sich die <strong>Selbständig</strong>en der Mehrheitsgesellschaft um die modernen Dienstleistungen mit höheren<br />

Verdienstmöglichkeiten gruppieren.<br />

Dies weist darauf hin: Jenseits der Motivlage ist natürlich auch das Ergebnis einer Gründung <strong>für</strong> die<br />

Integrationswirkung von Belang. Nicht selten ist ein hohes Maß an Selbstausbeutung erforderlich, um in den<br />

wettbewerbs- und arbeitsintensiven Branchen überleben zu können. 86 Eine geringe Marktfähigkeit bzw. hohe<br />

Sterbequoten sind eher Indizien <strong>für</strong> prekäre Lagen. Aber auch das Verharren oder gar der Rückzug in eine<br />

ethnische Nische sowie ein Übermaß an innerethnischen (Kunden-)Beziehungen vermag als Rückzug in eine<br />

„Parallelwelt“ gewertet werden. Zur sozialen Integration im Sinne einer umfassenden Teilhabe trägt vor allem<br />

das erzielte Einkommen bei. Nach Befunden des IZA verdienen die in Deutschland selbständigen Einwanderer<br />

in etwa das Doppelte der abhängig Beschäftigten. 87 Auch Özcan und Seifert (2000 und 2003) stellen eine im<br />

Vergleich zu abhängig Beschäftigten eher günstigere Einkommensstruktur fest und kommen daher zu dem<br />

Ergebnis, dass die steigende Zahl selbständiger Migranten als ein Zeichen <strong>für</strong> deren allmähliche Integration zu<br />

werten ist. Dieser Befund steht durchaus im Einklang mit einigen international erzielten Einschätzungen. 88<br />

<strong>Selbständig</strong>keit wird zudem als Zeichen der Bleibeabsicht und da<strong>für</strong> gewertet, dass sich die sozialen und wirtschaftlichen<br />

Interessen von Migranten zunehmend vom Herkunftsland auf das Aufnahmeland verlagern. 89<br />

81 Bögenhold/ Staber 1994.<br />

82 Welter/ Rosenbladt 1998.<br />

83 RWI 2001; Seifert 2001 und 2007a+b; MGFFI 2006.<br />

84 Nach Pütz (2003: 29) werden „Arbeitslosigkeit und Benachteiligung im Arbeitsleben vom Großteil der Unternehmer türkischer<br />

Herkunft als ausschlaggebend <strong>für</strong> ihre Betriebsgründung benannt.“ Ähnlich äußert sich Şen (2002: 61), der bei drohender bzw. eingetretener<br />

Arbeitslosigkeit „ein wichtiges Moment <strong>für</strong> die <strong>Selbständig</strong>keit“ insbesondere bei Türken bzw. Nicht-EU Bürgern aufgrund<br />

der rechtlichen Ausgangslage sieht. Dagegen kommen Hillmann und Rudolph (1997) anhand einer Befragung türkischer Unternehmer<br />

im Nahrungsmittelsektor zu dem Ergebnis, dass Arbeitslosigkeit als Gründungsmotiv kaum im Vordergrund stand.<br />

85 Reize 2004; May-Strobl et al. 2005.<br />

86 Özcan 2002; Leicht et al. 2004.<br />

87 Constant/ Zimmermann 2004; Zimmermann/ Hinte 2005.<br />

88 z.B. Bates 1999.<br />

89 Sauer 2004.

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