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Selbständig integriert? - Institut für Mittelstandsforschung ...

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oder auf eine Bedrohung des Arbeitsplatzes zu sehen sind, wobei auch Unzufriedenheit mit der Situation am<br />

Arbeitsplatz oder mit der Entlohnung eine Rolle spielen. Nicht selten jedoch treten Push- und Pullfaktoren auch<br />

gemeinsam auf. Die Gründungsforschung ist sich darin einig, dass <strong>für</strong> den Schritt in die <strong>Selbständig</strong>keit kaum<br />

ein einzelnes Motiv sondern immer eher ein Bündel an Beweggründen verantwortlich ist. 121<br />

Bereits in Kapitel 6.1 (qualitativer Untersuchungsteil) wurde eine Reihe an Beispielen aufgelistet, die einen<br />

ersten Einblick in die Motivlagen der Gründerinnen mit Migrationshintergrund boten, wobei diese Auswahl<br />

zunächst willkürlich war. Im Folgenden gehen wir daher der quantitativen Bedeutung einzelner Push- und<br />

Pullfaktoren nach. Wir beginnen mit den Anreizen, auch deswegen, weil dies Gelegenheit gibt, eine häufig vernachlässigte<br />

Dimension in der „Motivforschung“ zu ergründen: Denn eine zentrale Frage ist, über welchen<br />

Zeitraum und mit welch planerischer Voraussicht der Gründungswunsch entwickelt wurde.<br />

Zeitrahmen der Entwicklung von Motiven: Wann entstand der Gründungswunsch?<br />

Motive zur Gründung eines Unternehmens können sich spontan bzw. in kurzer Abfolge entwickeln, wenn sie<br />

aufgrund eines bestimmten Ereignisses mehr oder weniger plötzlich bzw. aus der Situation heraus „geboren“<br />

werden. Zumeist jedoch reift der Gedanke oder der Wunsch, sich selbständig zu machen, über einen längeren<br />

Zeitraum heran und ist bspw. durch Rollenmodelle und entsprechende Fähigkeiten geformt. 122 Und erst dann gelangt<br />

der Gedanke möglicherweise durch eine sich bietende Gelegenheit (oder durch einen Handlungszwang) in<br />

den finalen Umsetzungsprozess. D.h., Wunsch und Fähigkeiten ergänzen und entwickeln sich unter Umständen<br />

zu einem adäquaten unternehmerischen Potenzial. 123 Während wir uns zuvor schon den unternehmerischen<br />

Fähigkeiten und selbständigkeitsrelevanten Ressourcen gewidmet haben (Kapitel 8), interessiert natürlich genauso,<br />

wie lange überhaupt ein Gründungswunsch heranreift bis er realisiert wird. Die Phase bis zur Umsetzung<br />

ist ein wichtiger Modus im Planungs- und Gründungsprozess. Denn je länger der gehegte Wunsch oder gar der<br />

gefasste Beschluss zurückliegt desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Person zuvor mit den<br />

Erfordernissen einer unternehmerischen Karriere befasst hat. 124 Umgekehrt führen kürzere Planungsphasen<br />

möglicherweise zu unbedachten Entscheidungen und Fehlern. 125 Es geht also darum, zu ermitteln, ob es sich<br />

bei den Gründungen von Migrantinnen um längerfristig geplante Projekte oder um eher spontane Aktionen<br />

handelt, die sich etwa aus den situativen Bedingungen (bspw. einer Notlage) ergeben können.<br />

Die Gründer/innen bzw. Unternehmer/innen wurden gefragt, wann ihnen zum ersten Mal die Idee kam, sich<br />

selbständig zu machen, wobei die Angaben sowohl Jahre als auch Monate umfassen durften. Die durchschnittlich<br />

von den einzelnen Ethnien verwendete Zeit von der ersten Idee bis zur Umsetzung des Vorhabens liegt (abgesehen<br />

von den italienischen und polnischen Männern) in einem Korridor zwischen zwei und drei Jahren (Abb.<br />

10.2.1; Anhang). Unter den Frauen lassen sich anhand der Mittelwerte kaum Unterschiede identifizieren. In<br />

dieser Sicht bleiben die Unternehmerinnen tendenziell in der Planungsdauer hinter ihren männlichen Pendants<br />

zurück. Während die <strong>Selbständig</strong>keit <strong>für</strong> Männer eher ein langfristig anvisiertes Ziel darstellt, entscheiden sich<br />

Frauen etwas häufiger in kürzerer Zeit.<br />

Wie spontan sind die Gründungsentscheidungen von Migrantinnen und Migranten im Vergleich mit den<br />

Einheimischen sowie im Vergleich der Gruppen? Bisherige Untersuchungen zeigen, dass Migranten ihre<br />

Entscheidung <strong>für</strong> den Schritt in die <strong>Selbständig</strong>keit schneller in die Tat umsetzen als Einheimische. 126 Diese<br />

Spontaneität mag aber unter Umständen auch ein Ergebnis dessen sein, dass Migranten häufiger aus der Not<br />

bzw. aus der Nichterwerbstätigkeit gründen (siehe vorheriger Abschnitt) oder auch zuvor schon zu einem höheren<br />

Anteil als die deutschen Gründer/innen <strong>Selbständig</strong>keitserfahrung sammeln konnten (siehe Kapitel 8.2).<br />

Es ist naheliegend, dass sich Personen, die sich aus einer prekären Lage, wie etwa aus der Arbeitslosigkeit, befreien<br />

müssen, in einem kürzeren Zeitraum Entscheidungen treffen, an die sie zuvor noch nie gedacht hatten.<br />

121 Welter/ Rosenbladt 1998.<br />

122 Zum Beispiel durch die soziale Herkunft bzw. die <strong>Selbständig</strong>keit der Eltern. Vgl. auch Kapitel 8.<br />

123 Ähnlich auch das Modell von Krueger/ Brazeal 1994.<br />

124 Vgl. auch Leicht/ Leiß 2007.<br />

125 Dowling 2002.<br />

126 Leicht et al. 2005b sowie Leicht/ Leiß 2007.

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