KLINISCHE PSYCHOLOGIE
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5.4.3. Familiäre Interaktion<br />
Familientherapeutische Ansätze führen Schizophrenien auf eine gestörte familiäre<br />
Interaktion zurück.<br />
Bateson, Watzlawick & Co (1956): stellten in diesem Zusammenhang die<br />
Theorie der „Doppelbindung“ („Double bind“) auf; sie verstehen darunter<br />
paradoxe Botschaften, auf die nicht adäquat reagiert werden kann; also z.B.<br />
wenn Mama mit Tränen in den Augen und zittriger Stimme (nonverbale<br />
Ebene) meint: „Nein, nein, du brauchst dir keine Sorgen machen; mir geht’s<br />
wunderbar!“<br />
Die These: Werden Kinder von ihren Bezugspersonen gehäuft mit<br />
derartigen Double-Bind-Botschaften konfrontiert, entwickeln sie im<br />
Extremfall eine Schizophrenie; sie verlieren jedwedes Gespür für<br />
zwischenmenschliche Kommunikation!<br />
Singer et al. (1975): sprechen von „kommunikativer Abweichung“<br />
(„communication deviance“); ihre These ist jedoch letztlich dieselbe:<br />
Schizophrenien sind auf gestörte Kommunikationsformen in der<br />
Herkunftsfamilie zurückzuführen.<br />
Kritik:<br />
Die Gültigkeit der beiden genannten Ansätze ist empirisch nicht belegt!<br />
Auch wenn gestörte Kommunikationsmuster einen Risikofaktor darstellen<br />
sollten, ist dieser wohl kaum schizophreniespezifisch!<br />
5.4.4. Das Vulnerabilitäts-Stress-Modell (VSM) und Expressed Emotion (EE)<br />
Das Vulnerabilitäts-Stress-Modell (von Liberman) geht von einer starken genetischen<br />
Komponente aus, betont aber, dass dispositionelle Vulnerabilitätsfaktoren nur im<br />
Zusammenspiel mit Umweltfaktoren zu einer Schizophrenie führen!<br />
Zu berücksichtigen sind dementsprechend nicht nur biologische, sondern auch<br />
psychosoziale und familiäre Faktoren!<br />
Ein zentraler Forschungszweig innerhalb des Vulnetabilitäts-Stress-Modells<br />
beschäftigt sich dementsprechend mit dem Einfluss, den die nächsten Angehörigen<br />
schizophrener Patienten auf deren Krankheitsverlauf haben.<br />
Als die entscheidende Variable wird dabei die „Expressed Emotion“ (EE) der<br />
Familie angesehen; die EE (~emotionales Klima) äußert sich in<br />
offener/verdeckter Feindseligkeit gegenüber dem kranken Familienmitglied<br />
(kritische Bemerkungen etc.) und/oder in emotionalem Überengagement<br />
(Überbehütung); ist sie hoch, besteht ein hohes Rückfallrisiko (ca. 50% nach 9-<br />
12 Monaten), ist sie niedrig, eher nicht (rund 20%!).<br />
Das „Camberwell Family Interview“ ist ein halbstandardisiertes Interview<br />
zur Erfassung des emotionalen Klimas in Familien psychisch kranker<br />
Menschen; es zielt dabei speziell auf die Messung der „Expressed Emotion“.<br />
Zu diesem Zweck werden die erhobenen Aussagen von ausgebildeten<br />
Ratern anhand von 4 Skalen beurteilt:<br />
a) Kritik (Ausdruck von Missbilligung, Ärger, Abneigung,… gegenüber<br />
dem Patienten)<br />
b) Feindseligkeit (Wird der Patient aufgrund überdauernder<br />
Persönlichkeitsmerkmale oder wegen umschriebener Verhaltensweisen<br />
missbilligt?)<br />
c) Emotionales Überengagement (extreme Sorgen um den Patienten,<br />
Aufopferung für den Patienten; übertriebene Fürsorglichkeit etc.)<br />
d) Wärme (Sympathie, Sorge,…)<br />
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