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KLINISCHE PSYCHOLOGIE

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nur biochemisch bedingt, sondern hängt nicht zuletzt von psychischen<br />

Faktoren (Lernprozessen, Erwartungshaltungen etc.) ab!<br />

Eine besondere Rolle spielen die Erwartungen, die man an die Wirkung<br />

von Alkohol knüpft (s.o.): Je positiver diese Erwartungen sind, desto<br />

positiver erscheint einem nämlich die tatsächliche Wirkung! Erwartung<br />

und Wirkung verstärken sich also (zumindest im unteren Dosis-Bereich)<br />

wechselseitig!<br />

Auch die spannungsmindernde Wirkung von Alkohol scheint nicht nur<br />

mit dessen Wirkung auf die GABA-Rezeptoren zusammenzuhängen,<br />

sondern nicht zuletzt von kognitiven Faktoren abzuhängen: Sofern durch<br />

Alkohol die Aufmerksamkeitskapazität reduziert wird, können Sorgen<br />

nämlich nicht mehr hinreichend verarbeitet werden – vorausgesetzt<br />

natürlich, es besteht eine Möglichkeit zur Ablenkung. Besteht eine solche<br />

Möglichkeit nicht, kann nämlich auch der gegenteilige Effekt eintreten,<br />

indem der Betroffene dann die gesamte, wenn auch eingeschränkte<br />

Verarbeitungskapazität auf unangenehme Gedanken richtet.<br />

Der intrapsychische Teufelskreislauf: Alkoholabhängigkeit wird<br />

aufrechterhalten, indem der Anreiz von Alkohol stetig erhöht und der Konsum<br />

desselben automatisiert wird. Das geschieht u.a. durch kognitive Mechanismen, die<br />

sich ihrerseits wechselseitig verstärken.<br />

Beeinträchtigte Selbstwahrnehmung (mangelndes Selbstwertgefühl,<br />

Unterschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit etc.): rechtfertigt den eigenen<br />

Alkoholkonsum und erhöht den Anreiz („Ich schaffe das nicht!“; „Ich kann<br />

mich an niemanden wenden!“ usw. Mir bleibt also gar nichts anderes<br />

übrig, als Alkohol zu trinken.“)<br />

Unrealistische Wirkungserwartung: verstärkt die Wirkung (s.o.) und<br />

führt zu vermehrtem Konsum („Alkohol beruhigt/hilft/macht mich<br />

originell/…“)<br />

Suchtbezogene Grundannahmen: werden reflexartig aktiviert und meist<br />

nicht bewusst reflektiert („Oh, das war stressig. Jetzt brauche ich erst mal ein<br />

Glas Schnaps!“ Dahinter steht die Grundannahme: „Alkohol hilft, Stress zu<br />

verarbeiten“)<br />

Coping-Defizite: Da keine anderen Lösungsstrategien außer Alkohol<br />

ausprobiert werden, Alkohol aber in Wahrheit keine Lösungs- sondern eine<br />

Vermeidungsstrategie darstellt, können die Betroffenen irgendwann tatsächlich<br />

nicht mehr mit Problemen umgehen. Zum einen fehlt es ihnen an einem<br />

entsprechenden Verhaltensrepertoire, zum anderen an der nötigen Resilienz<br />

(Widerstandsfähigkeit gegenüber aversiven Reizen)!<br />

Abstinenzverletzungssyndrom: Wenn ein Alkoholiker erst einmal gegen das<br />

eigene Abstinenzgebot verstoßen hat („lapse“ = Fehltritt, Ausrutscher), fällt er<br />

mit hoher Wahrscheinlichkeit ganz in seine alten Trinkgewohnheiten zurück<br />

(„relapse“ = Rückfall)!<br />

Der dahinter liegende Mechanismus: Bleibt ein Alkoholiker auch in<br />

Risikosituationen (also bei negativen Gefühlen, Konflikten oder sozialen<br />

Verführungssituationen) standhaft, stärkt das seinen Selbstwert und die<br />

Abstinenzzuversicht; die Wahrscheinlichkeit, auch in der nächsten<br />

Situation standhaft zu bleiben, steigt. Bleibt er dagegen nicht standhaft, ist<br />

es genau umgekehrt: negativer Selbstwert, geringe Abstinenzzuversicht,<br />

soziale Zurückweisung etc. => erhöhte Rückfallwahrscheinlichkeit (nach<br />

dem Motto: „ist der Ruf erst ruiniert,…“)<br />

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