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KLINISCHE PSYCHOLOGIE

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Der neurobiologische Teufelskreislauf: Auf neurobiologischer Ebene tragen v.a.<br />

die Toleranzsteigerung, der Endorphinmangel und das Suchtgedächtnis zur<br />

Aufrechterhaltung der Abhängigkeit bei! Genau wie die kognitiven (und<br />

psychosozialen: s.u.) Mechanismen führen sie zu einer Erhöhung des Anreizes von<br />

Alkohol und zur Automatisierung des Alkoholkonsums.<br />

Toleranzentwicklung: Bei regelmäßigem Alkoholkonsum wird eine bis zum<br />

Faktor 2 erhöhte Menge für die gleiche Wirkung benötigt; bei abruptem<br />

Absetzen kommt es zu Entzugserscheinungen.<br />

Verantwortlich für diese Prozesse sind:<br />

a) Beschleunigung der entsprechenden Leberfunktionen, so dass der<br />

Alkohol schneller abgebaut werden kann<br />

b) Erhöhung der durch Alkohol gehemmten Neurotransmitteraktivitäten;<br />

Vermehrung von Rezeptoren; Neubildung von Synapsen<br />

c) Nach der Gegensatz-Prozess-Theorie (s.o.) die Verstärkung des<br />

b-Prozesses!<br />

Endorphinmangel: Da dauerhafter Alkoholkonsum zu einem Überschuss an<br />

Dopamin und Endorphinen führt, wird die köpereigene Produktion dieser<br />

Stoffe zurückgefahren. Mangelnde Selbstaktivierung des<br />

Belohnungssystems!<br />

Suchtgedächtnis: Dauerhafter Alkoholkonsum führt zu einer subkortikalen<br />

Sensitivierung Hypersensibilität des Belohnungszentrums für<br />

Alkoholstimuli („Cue-Reactivity“); es werden „Schlüsselreize“ gelernt, die<br />

Sichtverhalten auslösen.<br />

Der psychosoziale Teufelskreislauf:<br />

Problematische Trinkkultur in der Gesellschaft: Alkohol ist fester<br />

Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens (Sektempfänge, Stammtische etc.)<br />

und wird von den Medien z.T. glorifiziert (Werbung usw.) Gruppendruck<br />

Veränderte Familieninteraktion: Die Abhängigkeit eines Familienmitglieds<br />

hat Einfluss auf das Verhalten der anderen Familienmitglieder; vielfach<br />

geraten letztere in eine sog. „Co-Abhängigkeit“: sie übernehmen Aufgaben<br />

des Abhängigen, opfern sich für ihn auf und versuchen, dessen Abhängigkeit<br />

nach außen hin zu vertuschen. Dadurch wird die Abhängigkeit des Betroffenen<br />

latent oder direkt unterstützt („Enabling“)!<br />

Sozialer Abstieg: Alkoholismus führt häufig zu Scheidung,<br />

Arbeitsplatzverlust, Ablehnung durch die Umwelt und anderen Problemen,<br />

wobei diese negativen Erfahrungen erneut Anlass zum Trinken geben<br />

(Verwechslung von Ursache und Wirkung!)<br />

Mangel an Alternativressourcen: Ressourcen, die eine Alternative zum<br />

Alkoholkonsum darstellen (wie z.B. soziale Anerkennung oder beruflicher<br />

Erfolg) sind meist erst nach längerer Abstinenz verfügbar; durch diese<br />

Zeitverzögerung wird die Rückfallwahrscheinlichkeit enorm erhöht!<br />

Verhaltensökonomisches Rückfallmodell: Nicht die Suchtvergangenheit<br />

ist entscheidend, sondern die Lebensumstände im Anschluss an die<br />

Suchtbehandlung!<br />

Schlussfolgerungen für die Therapie:<br />

Motivationspsychologische Niederschwelligkeit<br />

Keine konfrontative Grundhaltung, sondern Verständnis<br />

Ziel muss es sein, möglichst viele Betroffene möglichst früh in ihrer<br />

Suchtentwicklung zu erreichen<br />

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