Die Agyptische Religion
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Einleitendes.<br />
blieb doch erhalten. Bei manchen Gottern wird auch der<br />
gemeine Mann diese nie verloren haben; dai3 Atum und<br />
Behedti die Sonne und Nubti der Seth seien, blieb immer<br />
allen gegenwartig. Anderes wui3ten wenigstens noch die<br />
Leute, die die alten Hymnen und Formeln kannten und<br />
wieder anderes mochte sich nur noch als Wisscnschaft der<br />
Gelehrten erhalten. Aber auch dieses halb Vergessene wurde<br />
gelegentlich wieder hervorgesucht und betont, besonders,<br />
wenn es einmal Mode wurde, einem Gotte vor anderen zu<br />
dienen. Eine solche Vorliebe fur einen bestimmten Gott<br />
konnen wir im Verlaufe der agyptischen Geschichte ofters<br />
beobachten, und mehrfach hatte sie ihren Grund nur in einem<br />
aui3eren Vorgang: ein neues Konigsgeschlecht war auf den<br />
Thron gestiegen und der Gott seiner Residenz war damit der<br />
Schutzer des Reiches geworden. Da wunschte man uberall<br />
auch diesem Gotte zu dienen und jede Stadt freute sich, wenn<br />
sie sagen konnte, dai3 ihr alter Gott ja im Grunde der neue<br />
Reichsgott sei. Naturlich werden nicht alle solche Gleich-<br />
setzungen berechtigt gewesen sein; es war berechtigt, wenn<br />
man die Hathor von Dendera der neuen Gotterkonigin Mut<br />
gleichsetzte, denn beide waren gewii3 einst dieselbe Himmels-<br />
gottin gewesen. Aber wenn man den krokodilgestaltigen<br />
Sobk, den wir nur als Herrscher des Wassers kennen, mit<br />
dem Sonnengotte Re identifizierte, so war dies vermutlich<br />
nichts als Willkur.<br />
So etwawerden wir uns die Entwicklung der agyptischen<br />
<strong>Religion</strong> denken miissen: ein standiges Sichauflosen und<br />
standiges Verknupfen und Vermischen. In den Urzeiten,<br />
wo das Volk politisch zerfallen war, neigte sie mehr zur Zer-<br />
splitterung, in der historischen Zeit, wo es meist zu einem<br />
Staate vereint war, schloi3 sie sich wieder mehr zu einem<br />
Ganzen zusammen.<br />
Wirklich ein Ganzes ist sie freilich nie geworden. In der<br />
Kunst, in der Literatur, in der Wissenschaft entwickelte sich<br />
wohl ein einheitliches geistiges Leben, das dem ganzen Lande<br />
gemeinsam war, aber in der <strong>Religion</strong> kam es niemals zu einem<br />
einheitlichen und vereinfachten Glauben; weder die straf -<br />
feren politischen Verhaltnisse noch die steigende Bi!dung<br />
des Volkes, noch auch die zunehmende Beruhrung mit<br />
andern Volkern haben dies erreicht. Wenn die Leute von<br />
Bubastis lernen, dem Gotte Amon zu dienen, weil er der<br />
Gott der Konigsstadt ist, so werden sie darum nicht im ge-<br />
ringsten in der Verehrung ihrer Gottin Bastet nachlassen, und<br />
wenn sie anfangen, diese alte Gottin als identisch mit der<br />
Isis anzusehen, so werden sie darum doch noch nicht ein<br />
Titelchen an ihren uberkommenen Anschauungen andern,<br />
sondern einfach das Neue zu dem Alten hinzufiigen.