Die Agyptische Religion
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116 Fiinftes Kapitel.<br />
Wahrend all dieses kleinliche Sorgen und all dieses Zauber-<br />
wesen in den Pyramidentexten 106) nur wenig hervortritt, mu0<br />
in den Kreise und in der Zeit, wo die Spruche des Toten-<br />
buches 107) gesammelt sind, eine wahre Manie geherrscht<br />
haben, dem Verstorbenen durch Zauber zu nutzen. Man hat<br />
da allerhand zusammengesucht, was sich irgendwie als Zauber<br />
ansehen liei3, auch wenn es ursprunglich ganz anders gemeint<br />
gewesen war. Und auch bei wirklichen alten Zauberspruchen<br />
verfuhr man hochst ungeniert; ein alter Spruch, der seinem<br />
Inhalte nach augenscheinlich dazu bestimmt war, Frauen<br />
die Geburt zu erleichtern, wurde ohne weiteres auch fur Tote<br />
verwendet, und weil zufallig in ihm von einem Falken die<br />
Rede war, so mui3te er dem Verstorbenen helfen, sich in einen<br />
Falken zu verwandeln 108).<br />
In dem allem zeigt das Totenbuch im Gegensatz zu den<br />
Pyramidentexten einen mehr volkstumlichen Charakter.<br />
Daher tauchen in ihm auch uralte Vorstellungen auf, die in<br />
jenen fast verschwunden waren, da sie nicht mehr zu der<br />
himrnlischen Existenz pafiten, wie sie die groijen Herren<br />
fur sich erhofften. Der Tote oder vielmehr seine Seele mochte<br />
sich in alles verwundeln, was das Hew begehrt 109)) in einen<br />
Phonix, einen Reiher, eine Schwalbe, einen Falken, einen<br />
Wurm, ein Krokodil, eine Lotoshlume 110) und sogar in den<br />
Gott Ptah IIoa); die Seele soll sich mit dem Korper wieder<br />
vereinigen lconnen 111) und das Tor des Grabes offen finden 112).<br />
Nichts soll sie zuruckhalten, damit sie am Tage hernusgelzen<br />
kann, in jeder Gestalt, die ihr behagt 113). Und es ist gerade<br />
dieser letztere Wunsch des Toten, am Tage, wenn die Sonne<br />
scheint, auf Erden zu weilen, der im Totenbuche eine groi3e<br />
Rolle spielt, so sehr, daij man spater das ganze Totenbuch<br />
als das Buclz vom Herausgehen am Tage bezeichnet.<br />
Aber noch ungleich wichtiger als alles dieses ist eine<br />
Vorstellung, die erst jungen Ursprunges ist, die von der<br />
notwendigen Rechtfertigung des Toten. Wir haben oben<br />
gesehen, dai3 der tote Osiris vom Seth verklagt wurde und<br />
dai3 die Gotter uber ihn zu Gericht sai3en zu Heliopolis<br />
und sein Wort aiahr machten, d. h. ihn unschuldig befanden,<br />
rechtfertigten; wie man aus dem Totenbuche 114) ersieht,<br />
106) AuBer der Sorge vor Hunger und Durst und Schlangen kommt<br />
in den Pyr. wenig derartiges vor (Feinde, die den Toten nicht zu Osiris<br />
lassen Pyr. 963). Als Zauberformeln konnen fast nur die Spruche gegen<br />
Schlangen gelten. 107) Ich verstehe dabei unter Totenbuch nicht<br />
nur die Texte, die zufallig auf den Totenpapyrus des n R vorkommen,<br />
sondern auch die ahnlicher Natur, die wir von den Sargen des m R<br />
kennen. IO8) Spruch bei Lacau im Receuil 27, 56-58.<br />
109) Totb.<br />
ed. Nav. 64. ,Io) ib. 77-89. ?a) ib. 82. 111) ib. 89.<br />
11%) ib. 92. 113) ib. 18; 64. I1q) ib. 18.